Mein Wahlkampf (German Edition)
obwohl wir mit ihnen aufwachsen, sie als treue Wegbegleiter schätzen, sie jagen, essen und ausstopfen – als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft erkennen wir die Tiere nicht an.
Liegt es vielleicht daran, dass manche Arten immer noch merkwürdige Bräuche pflegen und überkommenen Wertvorstellungen nachhängen? Waschbären etwa integrieren sich kaum und neigen zur Bildung von Parallelgesellschaften, Kaninchen begeben sich mehrmals im Jahr auf Partnersuche und lassen ihre Altfamilien im Stich, Hühner und Schnepfen hegen starke Vorurteile gegenüber dem ohnehin sehr seltenen Luchs, und Ringelnattern sind wortkarg und wenig an sozialen Aktivitäten interessiert. Braunbären gelten als unbeliebte Untermieter, weil sie in den Wintermonaten keine Post entgegennehmen und sich nicht an der Kehrwoche beteiligen.
Das Bild, das der Mensch vom Tier hat, ist allerdings nicht von Stringenz geprägt. Dem Bussard wirft man Einzelgängertum und Sektiererei vor, dem Fuchs hingegen seine zunehmende Kontaktfreudigkeit. Rar macht sich Freund Reineke ja längst nicht mehr. War der Schweif dieses putzigen kleinen Hühnerdiebs früher nur an Antennen hochwertiger Opel Mantas zu sehen, so wird er heute immer häufiger von seinem ursprünglichen Besitzer selbst durch die Fußgängerzonen getragen, ganz ohne Antenne und Breitreifen. Denn Tiere sind sogenannte «Kulturfolger»: Sie sind von Natur aus faul und gehen dorthin, wo es was zu fressen gibt, genau wie Rainer Brüderle. Im deutschen Osten, etwa in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern, gibt es wiederum schon ganze Landstriche, in denen kaum noch jemand lebt – außer einer Menge arbeitsloser Ochsen und kahlrasierter Schweine.
Dabei entpuppen sich manche Tiere als wahre Meister der Wohnraumbeschaffung: Sie suchen und finden schwer zugängliche Rückzugsorte, an denen sie völlig unbehelligt bleiben. So können Schildkröten oder Goldhamster viele Jahre ungestört hinter Heizkörpern verbringen, die nicht ganz so sesshaften Frösche und Kröten dagegen quetschen sich bei Fernreisen und Umzügen geschickt in die Rillen von Lkw-Reifen und kommen so ganz schön rum.
Was kaum jemand weiß: Viele Tiere üben bereits das Wahlrecht aus; und wenn auch unzählige Paarhufer, Wiederkäuer und Weichtiere immer noch keine eigene Partei haben, die ihre Interessen vertritt, so sind sie doch bereits jetzt eine wichtige Entscheider-Zielgruppe mit oftmals milieutypischem Wahlverhalten. So denken etwa Koalabären traditionell eher konservativ und wählen, selbst wenn es Salamipizza oder Chicken-Pesto-Wrap gibt, ausschließlich Eukalyptus. Auch Biber sind klassische Stammwähler: Sie würden bei einem Stichentscheid zwischen Baum und Busch immer für den Baumstamm votieren.
Trotz des jahrtausendealten Miteinanders von Tier und Mensch wird die Bedeutung der Fauna im politischen Prozess immer noch unterschätzt. Um Missverständnissen vorzubeugen und wieder ein Band der Empathie zwischen den Arten zu knüpfen, wird, wie schon in unserem PARTEI-Programm für die Frankfurter Wahl, eine meiner Hauptforderungen auch im Bundeswahlkampf lauten: Mehr kleine und niedliche Tiere für unsere Zoos! Nur niedliche, putzige und entzückende Wesen sind nämlich in der Lage, den Menschen nachhaltig für sich zu gewinnen und zum Anwalt ihrer Sache zu machen. Nichts wie weg aber mit den übelriechenden, hässlichen und nicht mehr zeitgemäßen Arten!
Der politische Mehrwert einer gleichberechtigten und partnerschaftlichen Mensch-Tier-Beziehung liegt – zumindest für mich – klar auf der Hand. Um medial zu überleben, ist der Politiker dringend auf schicke Fotos angewiesen. Da aber reine Porträtaufnahmen zu langweilig sind, muss er unablässig neue Motive finden, um so immer wieder selbst zum Motiv zu werden: Er muss Fässer anstechen, Hände schütteln, Plakate ankleben, Kränze niederlegen, Abkommen unterzeichnen, winkend aus dem Auto steigen, Kinder oder Behinderte oder, noch besser: behinderte Kinder streicheln. All das gibt schöne Bilder. Die schönsten aber sind die mit einer niedlichen Kreatur im Arm. Aus diesem Grund suchen erfolgreiche Machtpolitiker die Nähe zu Tieren.
Freilich sollte man stets darauf achten, nur mit den richtigen Tieren fotografiert zu werden. Meide Schaf und Esel! Denn die verleiten Journalisten fast zwanghaft zu schalen Scherzen auf Kosten des Politikers. Bildunterschriften wie «Zwei Esel» oder «Schafe unter sich» sind dann nicht mehr zu verhindern. Auch die Fotos, die
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