Mein Wahlkampf (German Edition)
Theologieprofessor, und da er das Neckarstädtchen Jahrzehnte vor meinem Studienbeginn verlassen habe, seien wir uns natürlich kaum begegnet. Dass ich damals Rhetorik studierte und mich besonders in Demagogie und Verleumdung unterweisen ließ, erwähne ich sicherheitshalber noch mal mit, schaden kann das ja nicht.
Zwar sei ich derzeit in verschiedene Projekte stark eingebunden, sage ich, und zeitlich knapp disponiert, so müsse ich beispielsweise noch einen Artikel über eine Gartenbauausstellung in der Nähe von Darmstadt fertig schreiben, auch gebe es da den Plan eines Exposés für eine politische Infotainmentsendung mit dicken Unterschichtsfrauen auf RTL II. Aber, so biete ich konziliant an, das könne ich möglicherweise verschieben, falls dringende Regierungsgeschäfte auf mich warteten, die gingen dann natürlich vor. Der Präsident scheint erleichtert, und ich erkläre ihm sofort mein Programm, das er im Übrigen auch gerne schriftlich haben könne, das sei ja im heutigen Zeitalter der Vernetzung überhaupt kein Problem, ich würde es ihm jederzeit faxen.
Hier also mein Programm.
Klaro, ich will vor allem eine Politik für die Menschen machen, für die Menschen draußen im Lande – und da sollen diese Menschen bitte auch bleiben, damit wir in den Städten weiterhin schön unsere Ruhe haben. Konkret bedeutet das: Umzugssperre für alle, denn diese sinnlose Umzieherei von A nach B verschlingt letztlich Milliarden, die anderswo dringend benötigt werden.
Zum Beispiel in meinem Kabinett. Dort werde ich eine ganze Reihe guter Kumpels unterbringen, denn man will ja naturgemäß unter sich bleiben. Jeder kriegt ein Ministerium seiner Wahl, wir machen ein Gruppenfoto mit dem Bundesfrühstücksdirektor, und dann gehen wir alle mit hochgekrempelten Ärmeln irgendwo was essen.
«Die Zeche zahlt doch bestimmt der Bund?», hake ich an dieser Stelle in meinem Traum nach – was der Bundespräsident sofort und gerne bestätigt.
Merkel und Schwesterwelle werden, sofern man sie zu packen kriegt, für ihre Untaten selbstverständlich büßen und für unbestimmte Zeit in irgendwelchen Lagern verschwinden müssen. Um die beiden ein wenig zusätzlich zu ärgern, kommt der dicke Gabriel auch noch mit. Der Brüderle jedoch nicht, den lass ich einfach.
Finanzpolitik ist eines meiner Steckenpferde. Zunächst einmal werde ich mich um meine eigenen Finanzen kümmern müssen, das ist ja wohl klar. Leider habe ich unter anderem durch meinen Kollegen Steinbrück erfahren müssen, dass Spitzenpolitiker in der Bundesrepublik immer noch nicht spitzenmäßig bezahlt werden. Hier herrscht also äußerster Handlungsbedarf. Fürs Erste werde ich beispielsweise die Bezüge des Bundeskanzlers, des Außenministers und des Innenministers auf mich vereinen, ich stemme ja sowieso fast alles.
Er, der Bundespräsident, schlage ich dem Staatsoberhaupt im Traum selbstbewusst vor, könne von seinem Salär auch noch ein bisschen was drauflegen, womit sich der Präsident – aber nur unter äußerstem Vorbehalt! – kleinlaut einverstanden erklärt.
Der von mir vorgelegte Doppelhaushaushalt 2014/2015 wird ziemlich solide sein. Ich lasse mir einfach neues Geld aus dem Ausland kommen, zum Beispiel aus Portugal oder Spanien oder Irland, denn dort werden Schuldkonten ja ganz automatisch schnell wieder aufgefüllt. Streichungen und Kürzungen wird es daher nicht geben, höchstens bei einigen längeren Artikeln in der Zeit oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung .
Ob Griechenland weiter in der Eurozone bleiben darf, ist längst keine Frage mehr. Natürlich werden die Griechen mit sofortiger Wirkung ausgegliedert und einem anderen, viel passenderen Wirtschaftsraum zugeordnet, nämlich der AU, der Afrikanischen Union. Da werden die Calamarischnitzer dann schön blöd aus der Wäsche gucken, wenn sie die Führer der ihnen in Sachen Korruption und Inkompetenz weiß Gott in nichts nachstehenden Bankrottstaaten um Geld anhauen wollen; und auf einen Pleitestaat mehr oder weniger kommt es bei der AU ja auch nicht mehr an. Ansonsten wird die Eurokrise in meiner Amtszeit aber kein großes Thema sein, schon allein deswegen, weil es die Leute total anödet. Die offizielle Position der Bundesregierung wird lauten: Versteht doch sowieso keiner mehr, was da genau läuft. Daher wird die Eurokrise auf dem Gebiet der Bundesrepublik per Dekret außer Kraft gesetzt, jetzt sollen sich mal die anderen Länder mit der Chose rumschlagen.
Ein weiteres heißes Eisen ist
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