Mein Wahlkampf (German Edition)
Mark mitzunehmen. Als er die Beute Tage später in seinem Schweizer Schließfach deponieren wollte, wurde er gefasst.
Auch ich war pleite. Was ein solcher OB-Wahlkampf kosten würde, hatte ich vollkommen unterschätzt. Wir brauchten dringend Geld – und neue Slogans, um der Kampagne zum Schluss hin noch mal «einen neuen Spin» zu geben, wie es der Politkommissar formulierte. So suchten wir nach möglichst sinnfreien Botschaften, um angehende Stammwähler nicht zu verstören. Das war gar nicht so leicht. Auf ihren Plakaten war mir die Parteienkonkurrenz immer schon einen Schritt voraus: «Frankfurt verpflichtet» – zu was? «Sorglos zu Hause» – bei wem? «Frankfurt verstehen» – und dann? Nach den Statuten meiner Partei war ich verpflichtet, einen schmierigen und populistischen Wahlkampf zu führen. Massenkompatibel und gefällig musste er aber auch sein.
«Wir haben bereits das Kaninchenplakat – mit dem kommen wir in den nächsten Tagen raus, rechtzeitig zum Wahlkampfendspurt. Das muss doch reichen!», rief ich in die Runde. Wieder einmal tagten wir im war room der Kampa-Gaststätte. «Damit sprechen wir Tierschützer, Kaninchenrückenesser, Kinder, Behinderte und ein paar Frauen an», fuhr ich fort. «Und natürlich ehemalige Adenauer-Wähler, die sich noch an den Claim ‹Keine Experimente› erinnern. Damit sind wir doch super aufgestellt!»
«Das reicht nicht», sagte der Politkommissar. «Wir brauchen etwas, das noch viel offener ist, noch viel unverbindlicher.» Er sah mich so scharf an, dass die Gläser seiner Nickelbrille fast zersprangen. «Überlegen Sie doch mal! Sie sind unser Mann.»
«Richtig.»
«Die Hälfte aller Wahlberechtigten ist auch männlich.»
«Wahrscheinlich schon.»
«Genau die müssen wir ansprechen. Mit was richtig Maskulinem. Dann wählen die Schmitt. Und ihre Frauen wahrscheinlich auch.»
«Stimmt! Weil die Frauen die komplizierten Zusammenhänge in der Politik gar nicht begreifen. Politik ist eben einfach Männersache.»
«Sie sagen es!», rief er – und verstummte. Erstarrte sogar. Bis er plötzlich mit der Faust auf den Tisch schlug. «Sie sagen es! Sie sagen es!», schrie er wie von Sinnen. «Frankfurt ist Männersache! Damit haben wir die Stadt im Sack! Männersache! Wie geil ist das denn!»
«So ist es», antwortete ich ein wenig stolz, aber auch erschöpft von der anstrengenden Kreativarbeit.
Für den Druck der neuen Plakate fehlte allerdings mal wieder das Geld. Die Druckerei ließ sich mit Zahlungsversprechen nicht mehr hinhalten, und in der PARTEI-Spendendose hatten sich nach siebzehn Wahlkampfstand-Aktionen insgesamt nur vierundfünfzig Euro angesammelt. Mein eigenes Konto hatte ich für Flyer und Plakate schon rettungslos geplündert, jetzt stand ich knietief im Dispo, und meine gutverdienende Frau hatte mir keine Vollmacht für ihr Konto hinterlassen, als sie sich auf die Kanaren absetzte. Mit einem «Politzombie» wie mir, hatte sie gesagt, wolle sie nichts mehr zu tun haben. Der Landeschef, der, wie er mir gebeichtet hatte, seit kurzem in Trennung lebte, hatte auch keine Barmittel mehr, und von der PARTEI-Zentrale in Berlin kam rein gar nichts. «Dann bleibt uns nur der Menschenhandel», sagte er, telefonierte mit dem Politkommissar, und schon wenige Minuten später stand ein Facebook-Aufruf im Netz:
Call a Candidate – der Spenden-Party-Marathon
Macht alle mitt, kauft euch den Schmitt! Der künftige Frankfurter OB besucht DEINE Party, DEIN festliches Dinner, DEINEN Fernsehabend mit Schnittchen und Gesichtsofen – am Samstagabend! Und Bier bringt er auch noch mit! Dafür klappert er aber aufdringlich mit der Spendendose und treibt gnadenlos selbst kleinste Unterstützerbeiträge ein. Lass dich mit ihm fotografieren, frag ihn, was du schon immer fragen wolltest, hol dir aus erster Hand die geilsten News über Sex, Crime und Kommunalpolitik.
Das Echo war gewaltig, heraus kam die härteste Spendensammelaktion der jüngeren Geschichte. In einem Zeitraum von acht Stunden hatten wir siebzehn Partyeinladungen zu absolvieren. Das waren immerhin sechzehn mehr, als Peer Steinbrück später im Niedersachsen-Wahlkampf klarmachte; und woher er die Idee hatte, ist jetzt auch klar.
Weil noch tiefster Winter war, feierten wir bei minus vierzehn Grad im Freien mit einer Bürgerinitiative, wärmten uns danach bei vier Dinnerpartys mit Champagner, Szegediner Gulasch und Handkäs auf, rauchten heimlich in Küchen, Kohlenkellern und Kinderzimmern, besuchten
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