Mein Wahlkampf (German Edition)
was für Italien ja schon sehr ordentlich ist. Mein eigenes Expertenkabinett soll meiner Vorausberechnung nach allerdings mindestens ein bis zwei volle Amtszeiten durchregieren. Namen könnte ich zwar nennen, aber sie werden Ihnen nichts sagen. Es sind ausnahmslos Freunde, Verwandte und Ex-Freundinnen, denen ich teilweise noch einen Gefallen schuldig bin.
Überhaupt wird sich das Personalkarussell munter drehen, und das geht leider nicht ohne die üblichen Grausamkeiten ab. Die Planstellen in der deutschen Öffentlichkeit für Markus Lanz und Günter Grass werden ersatzlos gestrichen, ihre Visionen eingezogen, ihr guter Name in den Schmutz gezerrt. Warum? Ein typischer Willkürakt, wenn ich schon mal da oben bin, mache ich ja sowieso, was ich will.
Auch die Bohlenfrage wird endgültig von mir geklärt werden. Ich mache einfach kurzen Prozess. Aufgrund der fortgesetzten Provokationen und der Verletzung unserer Geschmacksgrenzen wird auf meinen Befehl hin die deutsche Armee gegen 5.45 Uhr bei Bohlen einmarschieren, und zwar bei Dieter Bohlen, wohnhaft in Hamburg, Alsterufer 33. Vielleicht wird er aber auch nur nach Japan abgeschoben. Dort würde man eine dreißig Kilometer große Schutzzone um Bohlen errichten, und alle hätten ihre Ruhe.
Um die Arbeitslosen bei Laune zu halten, werden Fernsehen und Rauchen als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen. Ebenso das Ziel, dass alle ständig und überall erreichbar sind – außer mir natürlich. Außerdem sind sämtliche bekannten Drogen erlaubt und im Schnitt zehn Prozent billiger, gegenfinanzieren würde ich das durch starkes Anheben der Kampfhunde- und Kampfautosteuer. Benzin wird sogar noch teurer, aber nicht teurer als Bier, sodass man zuletzt immer noch die Wahl hat.
Als einziger Kanzlerkandidat weltweit stehe ich für aktiven Raucherschutz, gerade auch an Schulen, in Kranken- und Gemeindehäusern.
Um unser Heimatland wieder schöner und übersichtlicher zu gestalten, müsste man es auf Idealmaße gesundschrumpfen. Ich werde daher genau die fünf Bundesländer abstoßen, in denen die meisten Autounfälle gebaut werden und am meisten Privatfernsehen geguckt wird – so sind wir die DDR auf elegante Weise wieder los und den Solidaritätszuschlag gleich mit.
Dass dies alles möglich sein wird, liege an meiner grundgesetzlich verbrieften Richtlinienkompetenz, die er, der Bundespräsident, mir allerdings noch mal schriftlich geben müsse, am besten per Fax, sage ich in meinem Traum.
«Hallo!», rufe ich, «Herr Gauck, sind Sie noch dran?», schreie ich, aber der Hörer, die Leitung, oder, wer weiß, vielleicht sogar der Präsident selber, sie sind tot.
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Die Bestechung
Wie man sauberes Geld aus schmutzigen Intrigen gewinnt
Dass ich selbst einmal Opfer – oder soll ich sagen: Nutznießer? – einer Bestechung werden würde, hätte ich nie für möglich gehalten. Selbstverständlich war ich geehrt, dass mich jemand als so bedeutend und einflussreich erachtete, dass er glaubte, mir seine Wertschätzung in einem Geldbetrag ausdrücken zu müssen. Zumal die Summe so hoch war, dass sie mich all meiner finanziellen Nöte entledigte. Wer hätte da nein gesagt?
Nicht erst seit Peer Steinbrücks Äußerung, nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdiene mehr als die Kanzlerin, wissen wir, dass Politiker schlecht, ja viel zu schlecht bezahlt werden. Vom sozialen Abstieg bedroht, von der Gesellschaft isoliert, sind notleidende Politiker immer wieder gezwungen, während ihrer Amtszeit ein paar Brosamen zur Seite zu schaffen – um das nackte Überleben zu sichern.
Freilich kann nicht jeder so erfolgreich sein wie der aus einfachen Verhältnissen stammende chinesische Premierminister Wen Jiabao, der mit geschätzten 2,7 Milliarden Dollar Familienvermögen als einer der reichsten Politiker der Welt gilt. Gegen ihn ist ein reisender Vortragsvagabund wie Peer Steinbrück mit einem geschätzten Jahreseinkommen von 450000 Euro ein kleiner, armer Waisenknabe; und selbst Steinbrück baut nur vor, um im Alter nicht am Hungertuch zu nagen. Er will ja nicht enden wie der FDP-Politiker Hans-Otto Scholl, der immerhin mal Fraktionsvorsitzender im rheinland-pfälzischen Landtag war. Weil die vielen Ehrenämter, die Scholl gegen Ende seiner Karriere innehatte, sämtlich undotiert waren, sah er sich gezwungen, im Dezember 1984 mit vorgehaltener Waffe in einem Juweliergeschäft in Baden-Baden vorzusprechen und Schmuck im Wert von 2,3 Millionen
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