Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
andere Aktiva gab und auf den Konten nach wie vor Geld vorhanden war. Doch das galt nur, wenn es wirklich um Steuern ging. Wenn das Ziel dagegen war, die Eigentümer beiseite zu schaffen und ihre Besitzstände an sich zu bringen, dann war es natürlich richtig, diese Eigentümer einzusperren und unverhältnismäßige Forderungen an sie zu stellen, dann musste das beste Asset eingezogen, die Firma in Einzelteile zerlegt und unter Freunden und Bekannten aufgeteilt werden. Das war keine Verstaatlichung (in diesem Fall hätte der Staat ja eine Entschädigung zahlen müssen), sondern de facto eine Enteignung im Interesse einer kleinen Gruppe »natürlicher Personen«, die »schon viele Jahre im Bereich der Energiewirtschaft tätig sind«, wie Putin selbst während eines Besuchs in Deutschland im Dezember 2004 den Wechsel der Eigentümer von YUNG kommentierte. Genau genommen war das gelogen, denn eines der besten Öl-Assets des Landes gelangte über eine Tarnfirma in den Besitz des staatlichen Unternehmens Rosneft. Und gleichzeitig sagte der Präsident im Grunde die Wahrheit: Dieses Asset unterstand nun der direkten Kontrolle zumindest einer natürlichen und Putin sehr nahestehenden Person: Igor Setschin.
Der Westen hat diese Geschichte geschluckt, ohne sich daran zu verschlucken. Zunächst unterband Putin mit einem einzigen Zuruf die zugegebenermaßen recht kläglichen Versuche russischer Unternehmer, ihrem Kollegen beizuspringen. Danach lud er ausländische Investoren zu sich ein und beschwichtigte: Chodorkowski sei ein besonderer, ein Einzelfall. Ziemlich treffend beschrieb Erik Berglöf, Direktor des Stockholmer Instituts für Transformationsökonomie, die Reaktion des Westens auf das erste Verfahren gegen Chodorkowski: »Die internationale Businesswelt nickte die offizielle Version des Chodorkowski-Falls, die die russischen Behörden präsentierten, erstaunlich schnell ab. Ja, man ist vielleicht nicht begeistert, wie das Gerichtsverfahren selbst gelaufen ist, aber die Erklärung, Chodorkowski sei zweifelsfrei ein Krimineller, wurde akzeptiert. Wir sind freilich daran gewöhnt, dass Geschäftsleute ihre Meinung schnell ändern können, aber mit welcher Geschwindigkeit sie das dieses Mal fertiggebracht haben, ist einfach verblüffend. Das ist Pragmatismus in Reinform und höchster Konzentration. […] Ich nehme an, die [westlichen] Unternehmer werden nun bemüht sein, in Russland mit den staatlichen statt mit den privaten Strukturen zu arbeiten, besonders im Rohstoffbereich. Zumal wir sehen, dass die russische Regierung selbst immer aktiver versucht, sich als Hauptakteur auf diesem Markt zu etablieren. Unter diesen Bedingungen ist eine engere Zusammenarbeit mit dem Staat eine durchaus natürliche Reaktion seitens der westlichen Unternehmer.« 8
Da Yukos im Gegensatz zu anderen russischen Erdölkonzernen im Jahr 2002 seine Eigentumsstrukturen offengelegt hatte, sind die Inhaber, denen man die Firma nahm, auch namentlich bekannt. Den größten Teil der Yukos-Aktien besaß die Menatep-Gruppe, deren Gesellschafter sieben natürliche Personen waren. Namentlich genannt wurden Michail Chodorkowski (der 59,5 % der Aktien kontrollierte), Leonid Newslin (8 %), Platon Lebedew (7 %), Wladimir Dubow (7 %), Michail Brudno (7 %) und Wassili Schachnowski (7 %). Ich erinnere mich noch genau an diese Liste mit den entsprechenden Anteilen neben jedem Namen, weil sie in der Zeitung Kommersant , wo ich damals arbeitete, veröffentlicht wurde und eine Sensation werden sollte. Kein russisches Unternehmen dieser Größenordnung hatte sich bis dahin »geöffnet«. Jemand, der nicht benannt wurde, verbarg sich hinter der Zahl 4,5%, neben der kein Name stand. Später erfuhr ich, dass es Alexej Golubowitsch war, der 2001 die Firma verlassen hatte, aber Aktionär geblieben war.
Und so interessant gestaltete sich das Schicksal der Aktionäre: Zwei von ihnen, Chodorkowski und Lebedew, sitzen im Gefängnis. Vier sind im Ausland. Sie sind im Einvernehmen mit Chodorkowski ausgereist, die einen noch vor seiner Verhaftung, die anderen erst danach. Chodorkowski hatte offenbar gehofft, den Konzern erhalten und die Kontrolle der Eigentümer über das Unternehmen bewahren zu können, und sei es auch vom Ausland aus. Golubowitsch ist der einzige der Gesellschafter, der bereit war, gegen Chodorkowski auszusagen.
Alles in allem verfolgte und verfolgt die russische Staatsanwaltschaft im Rahmen des Yukos-Verfahrens über 60 Personen (sowohl Mitarbeiter von
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