Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Silowiki. 6
Seit 2003 sitzen Michail Chodorkowski und Platon Lebedew hinter Gittern. In dieser Zeit sind ihre Kinder herangewachsen, Chodorkowski wurde eine Enkelin geboren. Platon Lebedews jüngste Tochter war zwei Wochen alt, als er verhaftet wurde. Er hat vier Kinder aus zwei Ehen, wie auch Chodorkowski. Chodorkowskis jüngste Kinder, die Zwillinge, waren 2003 vier Jahre alt. In den Erinnerungen der jüngeren Kinder sind ihre Papas ganz und gar keine Oligarchen, sondern einfach nur Inhaftierte.
Das Urteil im ersten Verfahren lautete auf acht Jahre Freiheitsentzug wegen Betrugs und Steuerhinterziehung. Davon verbüßten Chodorkowski und Lebedew wenig mehr als ein Jahr im Lager, also einer Sonderzone für verurteilte Straftäter, den Rest der Zeit verbrachten sie in Gefängniszellen. Nach dem Urteil im zweiten Verfahren sind sie seit Juli 2011 abermals im Lager. Insgesamt rund 17 Milliarden Rubel fordern die Behörden von Chodorkowski und Lebedew, und das, obwohl ihnen gleichzeitig Yukos genommen und das Unternehmen anschließend zerschlagen wurde.
Die Gesamtsumme der Steuerforderungen gegenüber Yukos einschließlich der Bußgelder und Säumniszuschläge belief sich für den Zeitraum von 2000 bis 2003 auf 582 Milliarden Rubel; berücksichtigt man darüber hinaus die Forderungen gegenüber den Tochtergesellschaften, sogar auf 703 Milliarden Rubel oder über 25 Milliarden Dollar zum damaligen Kurs. Dabei erreichten die Steuerforderungen gegenüber dem Unternehmen einschließlich Bußgeldern allein für das Jahr 2002 einen Wert von 111 Prozent der Bruttoeinnahmen des Unternehmens. Laut Angaben von Yukos lagen die Forderungen für 2004 wesentlich über den für dieses Jahr verbuchten Erträgen des Unternehmens. Diese unglaublichen Summen lassen sich mit den exorbitanten Bußgeldern erklären, die gegenüber Chodorkowskis Unternehmen zur Anwendung gebracht wurden, nämlich 40 Prozent der Hauptschuld anstelle der sonst üblichen 20 Prozent. Geldstrafen in dieser atemberaubenden Höhe hatte es in der Geschichte Russlands zuvor noch nie gegeben.
Das Urteil im ersten Verfahren gegen Chodorkowski und Lebedew wurde am 31. Mai 2005 gesprochen. Offensichtlich um den Angeklagten den Rest zu geben, erklärte Putin im Juni 2004, noch vor dem Urteilsspruch, die Firma werde nicht zerschlagen, aber schon am 24. Juli 2004 wurde der Zwangsverkauf des Ölförderunternehmens Yuganskneftegaz ( YUNG ), der Perle von Yukos, angekündigt. Dabei war das Konkursverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eröffnet. Das lukrativste Yukos-Asset ging an das staatliche Unternehmen Rosneft, in dessen Direktorium 7 selbstverständlich sogleich eben jener Igor Setschin den Vorsitz übernahm.
Das Konkursverfahren sollte erst später, im Jahr 2006, eröffnet werden, zu einem Zeitpunkt, da das Guthaben von Yukos, und dies wurde von russischen Gerichten bestätigt, nach wie vor die Verbindlichkeiten des Unternehmens überstieg, wodurch das Verfahren von vornherein gesetzeswidrig war. Doch der Kreml war bestrebt, den Namen Yukos so schnell wie möglich aus der Geschichte, aus den Meldungen, aus der Presse zu tilgen. Mit demselben Eifer wurde der Firmenname denn auch von allen Produkten der Marke Yukos gestrichen, in Neftejugansk wurden Tafeln übermalt, Werbeplakate abgerissen, Uniformen ausgewechselt und auf den großen Plakatwänden oberhalb des übertünchten »Yukos« der Schriftzug »Rosneft« angebracht. Ob das, was da geschah, legal oder illegal war, wurde nicht bei Gericht entschieden, sondern einzig und allein an einem Ort und von einer Person: im Kreml, von Putin.
Selbst bei unbeteiligten Beobachtern, die Chodorkowski keine Sympathien entgegenbrachten, kamen Zweifel auf: Ging es hier wirklich um nicht gezahlte Steuern, oder war dies im Grunde eine politische Geschichte mit einer ausgeprägten kommerziellen Komponente? Schließlich war Yukos jährlich, eigentlich sogar mehrmals pro Jahr, von staatlicher Seite geprüft worden. Woher kamen also die Milliarden nicht gezahlter Steuern? Und warum wurden die Steuerprüfer nicht belangt, die entweder Berichte gefälscht oder schlecht gearbeitet hatten? Und wenn dem Staat tatsächlich daran gelegen war, die Steuerschuld des Ölkonzerns einzutreiben, dann war es doch einfach dumm, ihn auf der Welle eines steigenden Ölpreises zugrunde zu richten. Und schon gar keinen Sinn hatte es, ein Unternehmen ausbluten zu lassen, indem man ihm das beste Asset zur Tilgung der Schulden nahm, wenn es auch
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