Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
eingeredet haben, alles würde ganz prima. Ich weiß es nicht. Ich habe ihn auf Putin angesprochen. Seine Antwort war: ›Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe alles im Griff.‹ Das war seine Haltung. Und die anderen glaubten auch, sie hätten alles im Griff. Ab einem bestimmten Moment war Surkow wieder aufgetaucht, er kam zu Geburtstagspartys, zu Unternehmensfeiern, die Beziehungen zu Woloschin waren gut, zu Kassjanow, auch in der Duma war alles in Butter – dort saßen Dubow, Schachnowski und Kondaurow. Wissen Sie, es gab natürlich so einen Moment der Euphorie. Alles klappt! Der Ölpreis steigt. Auch ich habe diese Euphorie irgendwann gespürt. Warum auch nicht? Ich arbeitete beim besten Unternehmen, das man sich denken konnte. Alles lief bestens. Bei allen. Es war ein tolles Team, extrem intelligent. Wenn nicht einmal ich dem widerstehen konnte, was soll man dann von den anderen erwarten?
Mischa ist ein sehr kritischer und nüchterner Mensch, aber wenn alle über dich schreiben und du dich persönlich mit Präsidenten triffst … Bis zur Fusion war es nur noch ein Schritt, und dann würden wir ein transnationales Unternehmen sein. Einfach super! Wir waren verdammt groß geworden. Ich weiß noch, wenn ich damals irgendwelche negativen Informationen bekam, versuchte ich, davon zu reden, aber die anderen dachten, ihnen könnte keiner mehr an den Karren fahren. ›Kleinigkeiten!‹ war der Lieblingsspruch, den ich mir irgendwann auch zu eigen gemacht habe.
Nun gut, was geschehen ist, ist geschehen. Wir alle hatten damals diese großartige Chance, das ganze Land. Alle waren im Aufschwung. Aber diese Entwicklung ist unwiderruflich zerstört worden, das ist es, was so schade ist. Als ich das damals nach Mischas Verhaftung sagte, konnte das niemand verstehen. Ja, Chodorkowski ist in Haft, das ist nicht schön, beziehungsweise für manche auch schön, aber damit hat es sich auch. Doch in Wirklichkeit hatte das Land sich verändert. Es war nicht mehr dasselbe. Das haben die Leute nicht sofort begriffen. Heute braucht man das keinem mehr zu erklären.«
Durch eine seltsame Verkettung von Umständen wurde Chodorkowski am Tag nach Abramowitschs Geburtstag verhaftet, der am 24. Oktober 37 Jahre alt geworden war. Abramowitsch feierte auf einer Stadiontribüne in London: Chelsea spielte. Dass Abramowitsch Chelsea gekauft hatte, wurde übrigens durch eine nicht minder seltsame Verkettung von Umständen genau an dem Tag bekannt, als Platon Lebedew in Haft kam.
Michail Brudno: »Ich flog nach London und traf mich mit Abramowitsch. Und zwar gewiss nicht auf meine eigene Initiative. Wir saßen im Stadion auf der Tribüne … Schwidler war ständig mit dem Telefon zugange, Roman wollte sprechen: Sie wollten die Führung der Unternehmen. Sie konnten aber nicht begründen, warum wir ihnen die Führung überlassen sollten. Ich fragte: Nehmen wir mal an, wir überlassen euch das – was dann? Sie konnten nichts Bestimmtes dazu sagen. Einfach nur: Überlasst uns mal die Führung.«
Leonid Newslin: »Im November 2003 rief Abramowitsch an und sagte, er sei in Israel und wolle sich treffen. Dubow, Brudno und ich gingen ins Hilton in Tel Aviv. Abramowitsch kam mit Schwidler und noch einigen anderen Managern. Wir besprachen die Lage. Roman erzählte, an seinem Geburtstag hätte Putin ihn angerufen, um zu gratulieren, um elf Uhr morgens. Er habe gerade unter der Dusche gestanden. Über Chodorkowski hätten sie nicht gesprochen. Putin habe einfach nur zum Geburtstag gratuliert. Danach sei er, Abramowitsch, nach London geflogen, weil dort irgendein wichtiges Spiel stattfinden sollte. Ich merkte, dass sich sein Gefühlszustand durch die Verhaftung eines Menschen, mit dem er vielleicht nicht befreundet war, aber immerhin das letzte halbe Jahr über eng zusammengearbeitet hatte, nicht die Spur verändert hatte.
Der Zusammenschluss der beiden Unternehmen war so gut wie perfekt, wir hatten bereits einen Teil des Geldes ausgezahlt, es war viel geschafft worden und die Verhandlungen über eine Fusion mit ChevronTexaco und ExxonMobil liefen auf Hochtouren. Sie wollten einfach weitermachen. Der Frage, was sie, Sibneft, in dieser neuen Situation tun, wie sie helfen könnten, wichen sie aus: Sie meinten, Mischa könne man nicht mehr helfen, Putin habe seinen Entschluss gefasst, das lasse sich nicht mehr rückgängig machen.
Wir beschlossen, weiterzuarbeiten und die Verhandlungen mit den Amerikanern fortzusetzen. In dieser Situation machten sie uns
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