Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
hauen, aber probieren kann man es ja mal.‹ Wir hatten schon Aufträge auf vertraglicher Grundlage übernommen und, na ja, einen echten Hungerlohn dafür bekommen. Wir entschieden uns also, es mit einem Vertrag über das Zentrum zu probieren.
Wir kamen dort an. Chodorkowski saß in Zimmer Nr. 7 beim Komsomolausschuss für den Frunsenski-Bezirk. Zunächst habe ich ihm nicht geglaubt. Es klang zu gut, was er erzählte. Völlig unrealistisch. Aber überzeugend.
Wir verließen das Büro, und ich sagte zu Leonid: ›Der haut uns übers Ohr, hundertprozentig.‹ Aber andererseits, was hatten wir schon zu verlieren? Ohne das Zentrum hätten wir für so einen Auftrag 20 Rubel bekommen. Hier aber ging es um mehrere Tausend. Wir riskierten also 20 Rubel und fünf Nächte Arbeit – und unterschrieben den Vertrag.«
Leonid Newslin: »Brudno und ich, wir waren keine aktiven Komsomolzen, alles, was darüber geschrieben wird, ist Quatsch. Brudno dachte sogar ans Auswandern. Ich hatte noch Angst vor einer solchen Entscheidung. In diesem Sinne war die Begegnung mit Chodorkowski eine historische. Wenn es anders gekommen wäre, wären wir wohl kurz darauf einfach abgehauen.
Im Grunde war uns klar, dass das genau das war, was wir suchten. Aber als normale Sowjetmenschen, die wir waren, glaubten wir nicht, was geschrieben stand. Deshalb beschlossen wir, es einfach auszuprobieren, ohne groß unsere Nerven zu strapazieren und ohne zu glauben, wir könnten mehrere Tausend Rubel verdienen. Wir machten uns also an die Arbeit und warteten dann auf unseren Lohn. Bis die einen das Geld überwiesen hatten, bis es bei den anderen ankam … Das war im November 1987. Im Januar sollten wir unser Geld bekommen. Und spätestens im Februar hatten wir es auch. Und was für Geld! Ich glaube, es waren so um die 4000 Rubel. Also, das war wie ein Schlag in die Nieren, wenn du verstehst. Bei einem Gehalt von 120 Rubel (vielleicht waren es damals auch schon 160, jedenfalls galten 200 Rubel schon als gutes Gehalt, der Dollar kostete auf dem Schwarzmarkt drei Rubel) – auf einmal 4000 Rubel! Ich bin mir nicht sicher, ob wir mit einem zweiten Auftrag gerechnet haben … Aber da wir noch weitere Auftraggeber hatten, kam die Arbeit in Gang.«
Newslin war der erste der späteren Yukos-Gesellschafter, der zu Chodorkowski wechselte. Ziemlich schnell, im Laufe eines halben Jahres. Er verließ Sarubeshgeologia, ließ aber dort für alle Fälle Michail Brudno zurück, um die »Stellung zu halten«, bis klar war, ob alles gut lief.
Michail Brudno: »Bei Sarubeshgeologia gab es für uns nichts zu holen. Überhaupt deprimierte mich diese ganze Sowjetmisere – ich versuchte mir vorzustellen, was ich in zehn Jahren tun würde, aber es gelang mir nicht. Mir war vollkommen klar, dass ich innerhalb dieses Systems das Maximum für mich erreicht hatte, weiter würde ich nicht kommen. Ich wartete auf eine Einladung nach Amerika. Und während ich noch wartete, tauchte statt der Einladung Chodorkowski auf.«
Leonid Newslin: »Chodorkowski sagte, er sei an Spezialisten aus der Vertragsabteilung interessiert (um Verträge zwischen den Unternehmen oder Institutionen und den wissenschaftlich-technischen Kollektiven abzuschließen), und er würde mich nehmen, ich glaube, mit einer Probezeit von drei Monaten. Er fragte nach meiner Position. Ich glaube, ich war damals Softwareingenieur. Oder leitender Softwareingenieur … Jedenfalls bot er mir die nächsthöhere Position an. Mir war damals nicht klar, dass das eine ganz bestimmte Art des Managements war. Nur ein kleines bisschen befördern, nicht zu viel auf einmal anbieten. Na ja, absteigen will natürlich niemand. Er bot mir ein Gehalt von 200 Rubel, glaube ich, und eine Position, die eine Stufe höher war als bisher. Er hatte ja das gleiche Raster wie überall. Ich erinnere mich, dass ich anfing, um den Posten des Abteilungsleiters zu feilschen, und ich glaube, er hat ihn mir auch gegeben. Mit einem Gehalt von 220 Rubel. Genau weiß ich das nicht mehr. Ich feilsche selten und bitte auch selten um etwas für mich, damals hat es mich aber aus irgendeinem Grund gereizt. Vielleicht, weil er so jung war und so leise sprach. Ich erinnere mich, dass ich um das Gehalt und die Leistungsprämie gefeilscht habe.
Wir sind sehr verschieden, aber er hat mir gefallen. Ich ging gut gelaunt aus diesem ersten Gespräch. Dann gingen wir ziemlich schnell zum Du über. Ich mag keine Routinen, und hier gab es etwas Neues. Ich kümmerte mich um
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