Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Rubel einkaufen. Kannst du dir vorstellen, was damals, 1988, eine Summe von 24000 Rubeln war! Wir sagten ihm: ›Du spinnst, so viel Geld! So viel verdienen wir nicht. Und du willst so viel Geld für so ein Eisenteil ausgeben, das keiner mehr braucht? Wer will hier schon so was kaufen?‹ Er sagte: ›Quatsch! Wir kaufen das Ding.‹ Und wir haben es gekauft. Wir hatten Leute, die die Computer für den Verkauf anlieferten. Sie kauften sie im Ausland für etwa 2000 Dollar ein und verkauften sie für 6000 Dollar in Rubeln, bar auf die Hand. Wir russifizierten den Computer, installierten darauf die Programme, die der Auftraggeber brauchte, und verkauften ihn an das Unternehmen. Für rund 40000 Rubel (circa 10000 Dollar). So fing das an. Unsere letzten Computer verkauften wir 1990, das waren bereits Chargen vom Großhandel. Das war sehr viel Geld.«
Leonid Newslin: »Die Kooperative war schon eine freie Unternehmensform. Wir hatten drei Prozent Steuern zu zahlen, glaube ich, fast nichts, aber wir konnten bargeldlose Beträge so viel wir wollten auf unsere Konten bringen, alles in Bargeld umwandeln und für das Bargeld Waren, Programme, Arbeitsleistungen und Leute einkaufen. Anderswo auf der Welt wurden im Bereich der forschungsintensiven Produktion und Technologien schon lange PC s verwendet. Unsere Kunden und wir arbeiteten mit großen Kisten, die der sowjetische Geheimdienst seinerzeit von IBM geklaut hatte. Nur zur Illustration: So ein ganzer riesiger Mechanismus war weniger leistungsstark als mein iPhone.
Außerdem gab es die ›CoCom-Liste‹, ein Embargo, das die Amerikaner auf die Lieferung von Computern in die sozialistischen Länder verhängt hatten. Die Leute in den Unternehmen wollten aber echte Computer, nicht die sowjetischen Hammer-und-Amboss-Modelle. Natürlich hätte man mit Jeans handeln können, und viele haben das auch getan. Aber weißt du, warum Computer? Weil in diesem Bereich sehr viel Geld steckte. Buchgeld, das sich mithilfe der Computer in Bargeld umwandeln ließ. Und das sind schon ganz andere Zahlen. Kannst du dir vorstellen, wie viele Jeans man für einen Computer ›kochen‹ musste? Außerdem war die Kaufkraft der Unternehmen damals noch ungleich höher als die der Bevölkerung. Natürlich kam es in diesem Prozess auch zu einer Konvertierung von Dollar in Rubel und zurück, zu einem bestimmten nichtstaatlichen Kurs (den hatte es ja immer gegeben). Das eröffnete uns zusätzliche Verdienstmöglichkeiten.«
Wladimir Dubow war 1988 30 Jahre alt. Er hatte an der chemischen Fakultät der Staatlichen Universität Moskau studiert und am Institut für Hochtemperaturen der Akademie der Wissenschaften der UdSSR gearbeitet. In Chodorkowskis Umfeld tauchte er etwas später als Newslin und Brudno auf. Es heißt, Chodorkowski habe sein erstes wirklich großes Geld – 160000 Rubel – mit einem Auftrag für die Akademie der Wissenschaften verdient, den ihm Wladimir Dubow verschafft hatte.
Wladimir Dubow: »Stimmt nicht. Er hat dieses Geld wirklich bei einem Auftrag für das Institut für Hochtemperaturen der Akademie der Wissenschaften verdient, aber das war noch vor meiner Zeit. Damals kannte ich noch keinen von den Jungs. Kennengelernt haben wir uns so: Ich war am Institut, befasste mich mit Thermodynamik und arbeitete an der ziemlich bekannten Datenbank Ivtanthermo. Irgendwann überredete ich den Chef, die Datenbank nach außen zu verkaufen. Dadurch konnten wir die Gehälter in der Abteilung ziemlich bald verdoppeln. Ich brauchte einen Vermittler, um einen Auftraggeber zu finden. Und einer meiner Kommilitonen arbeitete bei Menatep, bei Chodorkowski. Wir begannen unsere Kooperation. Mich verblüffte, dass mein Geschäftspartner ein Volltrottel war, das System aber trotzdem funktionierte. Irgendwann reichte es mir mit ihm, und ich beschloss, hinzufahren und die Leute kennenzulernen: Vielleicht konnte man ja direkt mit ihnen zusammenarbeiten. Also fuhr ich los. Der Mann, den ich traf und mit dem ich meine Probleme besprach, hieß Leonid Newslin. Rund zwei Monate später war ich stellvertretender Vorsitzender der Kooperative Nigma. So kam ich zu Menatep. Das war im August 1988, wenn ich mich nicht irre.«
Sehr viele Leute fanden sich Ende der 80er und in den ganz frühen neunziger Jahren zu irgendeinem »Business« zusammen. Auch mit Computern wurde gehandelt. Dann verschwanden diese Gruppen wieder, die Leute zerstreuten sich, nachdem sie für die damalige Zeit durchaus anständig Geld gemacht
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