Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
Vom Netzwerk:
wiederherstellen konnte. Aber auf dem Weg dorthin das Wenige zerstören, was funktionierte, das hätte er durchaus gekonnt.
    Vielleicht wäre es damals ratsam gewesen, das Feld zu räumen und die Kommunisten ihre Krise veranstalten zu lassen (umso mehr, als das Jahr 1998 schon in greifbarer Nähe war). Sjuganow wäre mit der Situation nicht fertig geworden, ganz ohne Zweifel, und das heißt, dass der Rollback nicht lange vorgehalten hätte und nicht tief gegangen wäre; dafür wäre es vielleicht gelungen, die demokratischen Grundlagen der Gesellschaft und des Staates zu erhalten, wenn man dafür eine Verlangsamung der Wirtschaftsreformen in Kauf nahm. Die Immunität gegen die UdSSR wäre so gestärkt worden. Vielleicht war ich nicht klug genug. Vielleicht wäre es aber auch noch schlimmer gekommen und sie hätten das Land zugrunde gerichtet. Ich weiß es nicht. Heute weiß ich es nicht.
    Zu einem Kompromiss dieser Art rief letztlich auch der berühmte »Brief der 13« auf. 73 Doch dieser Weg erwies sich als politisch unmöglich. Boris Jelzin war nicht gewillt, die Macht abzugeben, und die einzige Alternative zu einem schmutzigen Wahlkampf war das gewaltsame Verbot der KP Russlands, das Korshakow vorgeschlagen hatte. Ich denke, die Konsequenzen wären mehr als traurig und ganz gewiss nicht »demokratisch« gewesen.
    Wir beschlossen jedenfalls, alle Brücken abzubrechen. Ab März 1996 hätte ein Sieg der Kommunisten praktisch unseren Tod bedeutet. Die Entscheidung war eindeutig: Jelzin musste gewinnen, aber eine Aussetzung der Wahlen durfte auch nicht zugelassen werden. Also haben wir uns eingemischt. Geld, Personal, persönliche Beziehungen – alles wurde in Gang gesetzt. Wichtig waren gar nicht so sehr die Stimmen, wichtiger war noch die Gewissheit in der Gesellschaft, dass Jelzin tatsächlich gewonnen hatte. Auf diese Gewissheit arbeiteten wir hin.
    Die Großunternehmer hatten sich bis dahin noch nie verbündet, und zwar nicht etwa, weil sie es nicht gekonnt hätten. Wir waren alle durchaus in der Lage, uns zu arrangieren, und um 1997 machten wir uns seelenruhig gegenseitig Zugeständnisse. Wenn Sie sich erinnern: Im Kampf um Svyazinvest mischte niemand außer Gussinski und Potanin mit. 74 Wir haben einfach nie nach politischer Macht gestrebt. Nach Einfluss ja, aber nicht nach Macht. Uns war klar, wohin das führen konnte (falls man hätte Gewalt anwenden müssen), und das schuf eine psychologische Barriere.
    Das autoritäre Modell wieder zu etablieren – dazu waren die meisten von uns nicht bereit. Mental waren wir eben doch schon »Europäer«. Mag sein, dass das etwas naiv klingt … Aber eine Strategie für den Fall, dass Sjuganow siegen würde, hatten wir nicht – aus offensichtlichen Gründen: »Gerupft« hätte man uns sofort und von vielen Seiten, aber da wir alles und sogar noch mehr für Yukos ausgegeben hatten, standen wir bis über beide Ohren in der Kreide. Uns wäre nichts übriggeblieben als zu emigrieren und ein neues Leben anzufangen. Wahrscheinlich wäre das auch geglückt, wenn wir schnell genug gehandelt hätten …
    Was die eigentliche politische Arbeit für die Wahlen angeht – die machte 1996 Tschubais. Ich kümmerte mich um Yukos, die Hochseereederei Murmansk, das Unternehmen Apatit. 75 Über 100 0 00 Menschen. Ich hatte alle Hände voll damit zu tun, die soziale und wirtschaftliche Situation unter Kontrolle zu halten.
    Politik und Lobbyismus
    Die Beziehungen zu den Parteien entwickelten sich auf zwei Ebenen: Ideologie und Lobbyarbeit. Wenn wir mit der Ideologie beginnen wollen, so waren mir die Leute von Jablokound die »Rechten« in verschiedener Gestalt stets am nächsten. Wir halfen ihnen in dem Maß, in dem es aus ihrer Sicht möglich war, etwas von einem einzelnen Unternehmen anzunehmen und sich dabei noch unabhängig zu fühlen. Ich sage es gleich: Viel war das nicht. Insgesamt ein paar Millionen privater Gelder der Gesellschafter. Wir stellten ihnen unsere Spezialisten zur Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen zur Verfügung und beteiligten uns an der Diskussion von Wirtschaftsprogrammen. Und ab 2000 war ich unmittelbar mit der Ausbildung im Rahmen der »Public Policy School« befasst. Das war nicht unser Projekt, wir hatten uns dem angeschlossen. Die Aufgabe war die Ausbildung von Personal für die öffentliche Politik, unabhängig von den ideologischen Präferenzen der Teilnehmer.
    Meine persönliche Position besteht aber nicht darin, ein bestimmtes politisches Programm zu

Weitere Kostenlose Bücher