Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
unterstützen. Spätestens seit 1993 bin ich ein konsequenter »Voltairianer«. Ich hielt es für notwendig und richtig, sämtliche politischen Kräfte zu unterstützen, die in der Opposition waren und sich zu parlamentarischen Mitteln der Auseinandersetzung bekannten. Eben deshalb war ich 1996 kategorisch gegen eine Auflösung der KP Russlands. Das habe ich auch Jelzin gesagt. Korshakows nervöse Reaktion vor der Wahl 1996 war nicht zuletzt dadurch bedingt.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass alle politischen Ansichten, die von mehr oder weniger großen Bevölkerungsgruppen geteilt werden, im Parlament vertreten sein müssen, und dass ihre Anhänger die Möglichkeit haben sollten, ihre Position der Gesellschaft gegenüber darzulegen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ein normales, stabiles politisches System die zeitlich begrenzte Führerschaft der einen oder anderen politischen Kraft mit dem Erreichen eines Konsenses zu einer möglichst großen Menge gesellschaftlich bedeutsamer Fragen verbinden muss. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass nur eine starke, einflussreiche Opposition, unabhängig von ihrer politischen Färbung, imstande ist, eine funktionierende Rückkopplung zwischen Staatsmacht und Gesellschaft zu gewährleisten, und damit auch den Bestand und die Effizienz des gesamten staatlichen Apparats. Die »erste Geige« spielen natürlich die Machthabenden, aber ohne einflussreiche Opposition sind Stagnation und Fäulnis unvermeidlich.
In unserem Unternehmen arbeiteten Menschen mit den unterschiedlichsten Ansichten, die für den nötigen Pluralismus in den Beziehungen nach außen sorgten. Was die »Prinzipientreue« angeht, also die Frage, warum wir – nicht als verschiedene Einzelpersonen, sondern als Unternehmen – mit Vertretern verschiedener Kräfte zusammenarbeiteten, so ist das nachvollziehbar: Yukos machte (im Unterschied zu vielen anderen) keine Politik, Yukos machte sich vielmehr für die eigenen Interessen stark.
Die Lobbyarbeit war eine ganz andere Geschichte. Ich hielt und halte dieses Vorgehen für zivilisierter, als Beamte direkt zu kaufen. Allerdings hätten die Formen der Lobbyarbeit gesetzlich geregelt werden müssen. Die Idee eines solchen Gesetzes haben wir, nebenbei bemerkt, immer unterstützt. Und dass wir irgendwelche Gesetze durchgeboxt hätten, die einzelnen Unternehmen eine Präferenz gewähren sollten, ist mir überhaupt nicht in Erinnerung. Ein »Production Sharing Agreement« lehnten wir ab. 76 Wenn überhaupt, dann hat allenfalls die Gazprom zu ihren Gunsten irgendwelche Gesetze durchgeboxt. Es ging darum, die Interessen der Branche als Ganzes zu vertreten.
Politik und Lobbyarbeit sind zwei Paar Schuhe. »Politik« bedeutet in diesem Kontext Ideologie. Die Ideologie unterstützte ich aus eigener Tasche, da ich diese Art der Mitwirkung am Leben meines Landes damals wie heute für mein Recht und meine Pflicht als Bürger hielt. In welcher Form? Durch direkte finanzielle Parteispenden (in meinem Fall an SPS und Jabloko), die Gründung von Clubs und Schulen, die die entsprechende liberale Ideologie verbreiten sollten. Durch eine Beteiligung an der Finanzierung einzelner Veranstaltungen, wie Konzerte und Konferenzen.
Die Lobbyarbeit war etwas anderes. Jeder Gouverneur, ganz zu schweigen vom Präsidenten und seinem Apparat, forderte die Unterstützung bestimmter politischer Projekte, einschließlich der Abgeordneten der Partei Einiges Russland. Zusätzlich unterstützte die Firma die Abgeordneten, die aus »unseren Regionen« kamen, da sie fast unweigerlich auch unsere Interessen als die des größten Arbeitgebers vertraten. Finanziert wurden ihr Wahlkampf und ihre karitativen Projekte. Meiner Erinnerung nach ging es in Gesprächen mit mir nie um Bares; überhaupt war das nicht meine Ebene. Wir hatten es hier mit wichtigen Leuten zu tun, die ihre eigenen kleinen Probleme schon lange ohne uns gelöst hatten.
Um es noch einmal zu sagen: Wir waren für ein Lobbyismus-Gesetz, da wir es für richtig hielten, zwischen zulässiger Praxis und Korruption eine Grenze zu ziehen. Dennoch bin ich überzeugt, dass Lobbyismus, also die Finanzierung der Politik aus vielen Quellen, deutlich besser ist als ein »staatliches Monopol«, bei dem die Exekutive die Legislative gefügig macht und sie aus der Hand fressen lässt. Diese Art der Korruption ist die gefährlichste, weil sie zu einem absoluten Kontrollverlust führt, zu einer systematischen Veruntreuung des Haushalts und zu
Weitere Kostenlose Bücher