Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Natürlich hatten sie bis auf Maschinenpistolen mit kurzem Lauf keinerlei Waffen, und wir wurden nun gebeten, den Kauf von vernünftigen Waffen zu bezahlen. Als ich dem Direktorium von Yukos mitteilte, wohin die erbetene Zahlung gehen sollte, tat es einem regelrecht leid, die ausländischen Direktoren anzusehen … Sie stimmten zu. Es waren eben »russische Verhältnisse«.
Dieser Krieg war nichts als Dreck. Der gleiche Dreck wie wohl jeder Krieg. In Abchasien war es Dreck und in Moskau 1993 auch. Ich bin überhaupt nicht besonders mutig, aber Lebensgefahr zählt für mich nicht als Argument, wenn es gilt, Entscheidungen zu treffen. Offenbar glaube ich nicht wirklich an meinen Tod. Ich bin zweifellos moderat zynisch (moderat in meinen Augen), aber trotzdem sage ich, Krieg ist Dreck. Im Krieg hat niemand recht, alle sind schuldig. Wenn man Dudajew kaufen konnte – und ich denke, das wäre möglich gewesen –, dann hätte man ihn kaufen müssen. Die Silowiki mag ich eben deshalb nicht, weil sie Gewalt für eine wirksame Methode zur Lösung von Problemen halten, und diese Lösung zwingen sie sowohl der Staatsmacht als auch der Gesellschaft auf. Und unsere Machos lassen sich führen.
Auch mich kann man in Konflikte hineinziehen. Schließlich hing ich 1993 mit drin. Mehr noch, wenn man meiner Familie, meinen Angehörigen drohen würde – ich nähme ohne das geringste Zögern ein Gewehr in die Hand. Und ich würde es auch höchst wirksam einsetzen. Aber ein Krieg, um politische Ziele zu erreichen, ist ein großer Fehler. Das ist eine Methode, die eine Gesellschaft in unserer modernen Welt zu allen möglichen, nur nicht zu den erwünschten Ergebnissen führt. Warum Jelzin sich darauf eingelassen hat, weiß ich nicht. Und ich kann es mir auch nicht endgültig erklären. Ich bedaure das sehr.
Davos 1996 – Sjuganow oder Jelzin
Das Weltwirtschaftsforum in Davos war der Zeitpunkt, von dem an die damaligen Großunternehmer beschlossen, Jelzin aktiv im Wahlkampf zu unterstützen. Damals war es einfach nicht mehr zu übersehen, dass wir und er von allen Seiten aufgegeben worden waren.
Boris Beresowski sprach mit George Soros, und ich saß zufällig am Nachbartisch im Café. Davos ist ja ein Dorf. Er hat mich, glaube ich, vorgestellt. Wir saßen daneben, und er deutete mit dem Kopf in unsere Richtung, aber wovon gesprochen wurde, habe ich nicht gehört. Bis auf ein paar Sätze, die Boris extra laut sprach. Daraus ging hervor, dass man uns riet auszuwandern. Obwohl ich nicht behaupten kann, dass es Soros war, der das gesagt hatte.
Mit Gennadi Sjuganow dagegen habe ich in Davos selbst gesprochen. 72 Er hatte sein Hotelzimmer auf derselben Etage wie ich und kam »mich besuchen«. Um uns zu »beruhigen«. »Meine Mannschaft und ich, wir werden alles verstaatlichen«, sagte er, »aber solche Kader wie dich wissen wir natürlich zu schätzen. Wir werden dich zum Generaldirektor eines großen volkswirtschaftlichen Komplexes machen.« Und das hätte er vielleicht auch getan, aber die Industrie hätte er höchstwahrscheinlich ruiniert. Und die Schuld hätte er uns in die Schuhe geschoben.
Warum Sjuganow die Industrie ruiniert hätte? Theoretisch hätte er sich mit starken Leuten vom Schlage eines Juri Masljukow oder Jewgeni Primakow verständigen können, er hatte aber keinen Handlungsspielraum. In der Partei hatten (und haben auch jetzt) die Orthodoxen das Sagen, die versucht hätten, Gosplan und Gossnab wieder einzuführen, und das hätte unweigerlich zum Zusammenbruch geführt. Schon zehn Jahre zuvor hatte das System ja nicht mehr funktioniert, und es jetzt bei laufendem Betrieb wieder aufzubauen, wäre erst recht unmöglich gewesen. Ich hatte es klar vor Augen: Dem Wirtschaftsprogramm, von dem mir der Schullehrer Sjuganow erzählte, waren weder er noch seine Mitstreiter gewachsen.
Damals beschloss ich, dass man alles tun musste, um zu verhindern, dass Sjuganow zu wirklicher Macht gelangt. Er würde einfach nichts zustande bringen. Wobei (und das habe ich nie mit meinen Kollegen besprochen, obwohl ich beinah sicher war, dass sie genauso dachten) mich die Möglichkeit, Sjuganow könnte irgendeine einflussreiche politische Position erlangen, überhaupt nicht schreckte. Er hatte nicht das Potenzial, sie auszufüllen. Wichtig war eines: Man durfte nicht zulassen, dass er an die Spitze der Machtpyramide gelangte und versuchte, etwas wiederherzustellen, was ein klarer Rückschritt gewesen wäre, etwas, das er gar nicht
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