Mein Weg zum Herzkind
des zehnwöchigen Kurses, Gesine Schanz, blickte interessiert in die Runde. Ihr blond-weißes Haar fiel in Wellen kinnlang. Sie war eine rundliche, offenkundig fröhliche Person und trug diesen gewissen Sozialpädagogenlook. Sie hatte selbst ein Adoptivkind und vier leibliche Kinder. Sie war bereits seit über 20 Jahren im Segment Adoption tätig und machte einen kompetenten Eindruck. Ich wusste allerdings auch nach der persönlichen Begrüßung und meiner eigenen Vorstellung immer noch nicht, was
ich in diesem Kurs lernen sollte. Ich wollte ein Kind lieben und begleiten. Ich wollte bemuttern und versorgen. Ich wollte einfach Mama sein. Was gab es da zu wissen? Ich hatte vorher auch noch nie von einem Elternkurs gehört, den Paare, die ein leibliches Kind erwarteten, absolvieren mussten. Abgesehen von »Hechelkursen« vor Entbindungen. Aber so ein Elternführerschein, wie ich ihn nun absolvieren sollte, war mir neu. Im Grunde eine Frechheit. Eltern leiblicher Kinder würden ihre Lektionen doch auch im Laufe des Lebens lernen. Warum musste ich mich vorher schulen lassen? Ich sah keinen Bedarf. Die erste Stunde verging, und irgendwie konnte jeder der Anwesenden etwas über seine Vorstellungen zum Thema Adoption loswerden. Das Thema Unfruchtbarkeit und künstliche Befruchtung war ebenfalls sehr präsent. Ich glaube, alle außer mir waren noch irgendwie damit beschäftigt die letzte misslungene Befruchtung zu verarbeiten oder sogar parallel noch mal ein paar eingefrorene Eizellen zu reaktivieren. Durch die frühe Kenntnis meiner Unfruchtbarkeit war ich bereits losgelöst vom Wunsch nach der Weitergabe meiner Gene in diesem Kurs gelandet. Mich stimmte eher der Gedanke traurig, kinderlos bleiben zu müssen.
Irgendwie schaffte es Frau Schanz, eine rege Diskussion in Gang zu bringen und das Interesse für das, was uns bei ihr erwartete, zu wecken. Sie hatte Bücher mitgebracht und empfahl uns, uns mit der Materie auseinanderzusetzen. Sie fragte uns, was wir uns denn von einem Kind erwarten würden. Sie wollte wissen, wie genau wir uns ein Kind schon vorstellen würden. Wie sicher waren wir überhaupt eine Adoption anzustreben? Sie fragte, was wir schon zum Thema in Erfahrung gebracht hatten. Die üblichen falschen Sätze über Adoptionen fielen und sie klärte
uns bereits häppchenweise auf. Gesine Schanz scherzte und erklärte, dass Frauen in ihrem Kurs auch oft schwanger werden würden. Nicht gefühlt schwanger, sondern so richtig schwanger. Meistens sei das der abfallende Druck, der durch die hohen Erwartungen, als Gebärmaschine funktionieren zu müssen, entstanden war. Dass meine Schwangerschaft genauso sensationell wäre wie die unbefleckte Empfängnis Marias, wusste ich damals schon. Also habe ich mich einfach voll auf den Kurs konzentriert und am Ende des ersten Kurstages hatte ich doch das Gefühl, ich könnte was lernen. Voller Euphorie, auf dem richtigen Weg zu sein, ging ich an diesem Abend ins Bett. Meine Gedanken kreisten noch eine ganze Weile um mein mir noch unbekanntes Kind, und damit schlief ich zufrieden ein.
Alles einmal durchgeschüttelt – Frau Bode berichtet
Nach längerer Wartezeit war es endlich so weit. Der Wochenendkurs bei Frau Schanz ging in die erste Runde. Es hatte einige Zeit gedauert endlich einen Termin zu bekommen. Frau Schanz reiste weit und besuchte einige Jugendämter, um angehende Adoptivbewerber auf ihr Elternsein vorzubereiten.
In unserem Kurs gab es sogar zwei Frauen, die gemeinsam ein Kind adoptieren wollten. Uns war bisher nicht bewusst, dass eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft vom Jugendamt akzeptiert würde. Aber dafür waren wir schließlich in der Vorbereitung
gelandet. Wir lernten eine Menge über Adoptionen, Kann- und Muss-Bestimmungen, Vorlieben verschiedener Jugendämter und vor allem über uns selbst. Das war nicht immer einfach. Plötzlich stellten wir nämlich fest, wie unterschiedlich unsere Ideen zu einem Kind und dem Leben mit ihm waren. Ich war offen für vieles: Ein farbiges Kind, ein Kind mit einer Behinderung, auch ein älteres Kind wäre für mich in Frage gekommen. Mein Mann dachte da ganz anders. Er wollte am liebsten ein deutsches Kind, auf keinen Fall aus einem fremden Kulturkreis und kein farbiges Kind. Er wünschte sich für uns einen Säugling, damit die Bindung einfacher wachsen könnte und die Probleme durch eine mögliche Vorgeschichte nicht so in unser Leben einschlugen. Frau Schanz brachte uns überhaupt erst zur konkreten Auseinandersetzung
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