Mein wildes Herz
küsste sie zärtlich. „Sag, dass du mich heiratest.“
Krista spürte seine Wärme, den Duft seiner Haut und sie fühlte seine Stärke. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die ihr über die Wangen rollten.
„Ich kann nicht.“ Sie wischte sich über die Wangen. „Tief in deinem Herzen weißt du, dass ich nicht hierher gehöre. Du weißt es so gut wie ich, Leif.“
Er wandte sich ab und ging zur Tür. Unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten und blieb einen Augenblick in starrer Haltung breitbeinig stehen.
Als er sich umdrehte, war sein Gesicht wieder eine undurchdringliche Maske. „Runa erzählt, du hättest zusammen mit den anderen Frauen Rohr geschnitten. Ich hätte dir sagen sollen, dass du das nicht tun musstest.“ Er trat auf sie zu. „Sie sagte, du hättest hart gearbeitet, härter als alle anderen. Sie meint, ich hätte anscheinend eine gute Wahl getroffen.“
Krista versuchte, ihre Überraschung zu verbergen. „Es war nett von ihr, das zu sagen.“ Nachdem Leif für ein paar Tage verschwunden war, hatten die anderen Frauen sie ignoriert oder ihr unangenehme Aufgaben zugeschoben. Runa hatte da keine Ausnahme gemacht. Doch als sie jetzt von den lobenden Worten seiner Schwester erfuhr, überlegte Krista unwillkürlich, ob Runa und sie eines Tages vielleicht doch Freundinnen werden könnten, wenn sie nur lange genug auf der Insel blieb.
„Ich muss ein Bad nehmen“, erklärte Leif. „Es würde mich freuen, wenn du mir dabei Gesellschaft leisten würdest.“ In seinen Augen leuchtete wieder das Verlangen auf, das er seit ihrer Ankunft zu unterdrücken versuchte.
„Ich … ich glaube nicht, dass das klug wäre.“
„Mir erscheint es sehr klug.“ Mit brennendem Blick starrte er sie eine Weile an. Dann schaute er auf ihre Handflächen.
„Bei allen Göttern!“ Er nahm ihre Hände und betrachtete sie. Wieder fluchte er leise – diesmal auf Englisch – und führte sie in sein Schlafzimmer zu einem Tisch, auf dem einige seiner Dinge standen. Er öffnete einen kleinen Krug aus Speckstein, der mit einer Heilsalbe gefüllt war. Sanft strich er sie über Kristas mit Blasen übersäten von der Arbeit rauen Hände.
„Morgen und jeden folgenden Tag wirst du zu Hause bleiben, bis deine Hände geheilt sind. Dafür wird mir meine Schwester bezahlen.“
„Es ist nicht Runas Schuld. Ich bin nur nicht an diese Art von Arbeit gewöhnt, das ist alles. Als deine Schwester die Blasen sah, hat sie mich in die Webstube gebracht. Und so schlimm sind sie gar nicht.“
Mit finsterem Gesicht hob Leif eine ihrer wehen Hände an die Lippen und küsste die Fingerspitzen. „Morgen wirst du im Bett bleiben.“ Er lächelte sie liebevoll an. „Ich wünschte nur, du würdest mich einladen, dir dabei Gesellschaft zu leisten.“
Krista krampfte sich das Herz zusammen. Sie wusste, dass sie es nicht tun würde. Doch nicht deshalb, weil sie es sich nicht wünschte.
Der Morgen kam, und mit ihm eine steife Brise, die das Gras im Tal zauste. Aufgewühlt verließ Leif die Versammlungshalle und trat in die schwache Herbstsonne hinaus. An diesem Morgen hatte der Ältestenrat nach ihm gesandt, und er war hingegangen, um mit den Männern zu sprechen und ihnen die Gründe für die Eröffnung eines Handels mit England darzulegen. Zu seinem Erstaunen hatte er sich dabei viel unsicherer gefühlt, als er geglaubt hatte.
Jetzt ging er von der Versammlungshalle, einem kleinen Steingebäude am entlegenen Rand der Siedlung, zur Scheune. Er wollte eines der zottigen braunen Pferde satteln und in die Hügel reiten, um seine Gedanken zu ordnen.
„Leif! Einen Augenblick, bitte!“ Es war sein Onkel Sigurd, eines der ältesten Mitglieder des Rats. Leif wartete, während Sigurd zu ihm in den Schatten der Scheune trat.
„Ich weiß, dass du enttäuscht bist, Neffe. Ich hoffe, du wirst versuchen, uns zu verstehen.“
„Sie wollen keinen Handel. Sie wollten ihn nie. Ich hätte wissen müssen, wie hoffnungslos der Versuch sein würde, ihre Meinung zu ändern.“
„Denk doch nur einmal an unsere Geschichte, Leif. Über Hunderte von Jahren hinweg verschmolz unsere Kultur mit anderen Kulturen, bis sie beinahe verschwand. Bevor wir hierher kamen, waren wir schon die letzten echten Wikinger und das auch nur, weil Grönland so abgesondert lag. In einer so feindlichen Welt war es aber schwer, ja fast unmöglich zu überleben. Und so begannen wir, nach einem anderen, besseren Ort zu suchen. Einem Ort, wo wir bleiben konnten, wie wir
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