Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein wildes Herz

Mein wildes Herz

Titel: Mein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kat
Vom Netzwerk:
Licht, das vom Öl aus dem Fett eines gigantischen Fisches genährt wird, Ballen eines schimmernden Stoffes, der aus den Fäden des Kokons einer Motte gewebt wird. Eine Substanz, die man Glas nennt. Du kannst durchsehen. Es kann für Fenster verwendet werden, lässt die Sonne herein und hält die Kälte draußen.“
    „Das hört sich sehr interessant an.“
    „Es gibt noch mehr, Onkel. So viel mehr. Ich habe Waffen gesehen, mächtiger als alles, was du dir vorstellen kannst. Sie heißen Gewehre und sie können über eine große Entfernung hinweg einen Feind töten. Wir können uns mit solchen Gewehren bewaffnen, und niemand könnte uns mehr besiegen. Wenn wir einen Handel eröffnen, werden wir eine Unzahl an Wundern hierher bringen können.“
    Sein Onkel erhob sich von seinem Stuhl. „Diese Dinge, von denen du da sprichst … sind sie immer noch auf deinem Schiff?“
    „Ich hatte vor, sie heute auszuladen.“
    „Lass sie noch dort. Ich werde mit dem Rat darüber sprechen. Sie werden hören wollen, was du dazu zu sagen hast, doch …“
    Auch Leif stand auf. „Doch was, Onkel?“
    „Doch ich warne dich, Neffe. Seit dreihundert Jahren leben wir in relativem Frieden und annähernd sicher auf dieser Insel. Unsere einfache Lebensweise ist unser Schutz. Es ist möglich, dass die Ältesten deine Geschenke nicht wollen und dir verbieten, sie an Land zu bringen. Es ist sogar möglich, dass sie von dir verlangen, dein Schiff zu zerstören, damit keiner der Männer, die mit dir hierher kamen, wieder fortfahren und erzählen können, was sie gesehen haben.“
    Leif erschrak. „Wenn sie die Wunderdinge erst einmal gesehen haben …“
    „Sei vorgewarnt. Solltest du sie überzeugen können, wird das Leben hier nie wieder dasselbe sein. Veränderungen werden auf Draugr stattfinden und nicht alle zum Besten der Insel. Du musst dir sicher sein, ob du das willst.“
    Leif verließ das Haus mit der Überzeugung, dass sein Onkel sich irrte. Doch Sigurds Worte gingen ihm trotzdem nicht aus dem Kopf. Was, wenn der Rat dem Handel ablehnend gegenüberstand? Was, wenn sie von ihm verlangten, sein Schiff zu zerstören und er nie mehr die Insel verlassen und Krista nie mehr zurückbringen konnte, damit sie ihren Vater, ihre Familie, ihre Heimat wiedersah?
    Was, wenn er dann in genau dem Leben gefangen sein würde, dem er zu entkommen versucht hatte?
    Leifs Magen krampfte sich zusammen, und das nicht wegen des Biers, das er letzte Nacht getrunken hatte.
    Die nächsten Tage hielt Leif sich von Krista fern und wartete darauf, vor den Rat gerufen zu werden. Er musste nachdenken, musste entscheiden, was zu tun war. Mehr und mehr fürchtete er, sein Onkel könnte recht haben. Wenn erst einmal der Handel mit England begänne, würde sich auf Draugr alles verändern.
    Er war jetzt der Chief. War es das, was er sich für sein Volk wünschte? War das wirklich im Interesse seines Clans? Oder war das eigentliche Motiv seines Traums der egoistische Wunsch, in diese von ihm entdeckte fremde Welt zurückzukehren und mehr zu erfahren von all dem, was er gerade erst zu lernen begonnen hatte?
    Da er verzweifelt nach einer Antwort suchte, sprach er mit seiner Schwester und bat sie, bis zu seiner Rückkehr nach Krista zu sehen. Dann legte er eine Decke und einen leichten Sattel auf eines der zottigen Inselpferde, schnallte seine Waffen um, nahm einen Sack mit Essensvorräten mit und machte sich bereit, zu seinem ganz speziellen Ort in den Hügeln zu reiten.
    „Wenn es Schwierigkeiten gibt, weißt du, wo du mich finden kannst“, sagte er zu Runa. „Sende mir eine Botschaft, wenn die Ältesten bereit sind, mich anzuhören. Höre ich nichts von dir, kehre ich in drei Tagen zurück.“
    Er schwang sich auf in den Sattel, riss das Pferd herum und ritt davon.

23. KAPITEL
    Den nächsten Tag und die folgenden arbeitete Krista Seite an Seite mit den Frauen. Zu dieser Jahreszeit schnitten sie Schilf, das rund um kleine Weiher in der Mitte des Tales wuchs. Es wurde gebündelt, auf Karren geladen und zurück in die Siedlung transportiert, wo es kürzer geschnitten und mit Talg getränkt wurde. Dieses Schilf, das man dann in hohle Holzstücke steckte, nannte man Binsenlichter. Sie brannten im Innern des Langhauses, um für Helligkeit zu sorgen.
    Krista entdeckte, dass es ihr recht gut gefiel, draußen in der frischen Luft und im Sonnenschein zu sein. Allerdings langweilte die eintönige Arbeit sie. Und die Frauen ignorierten sie völlig, selbst Runa. Sie lachten

Weitere Kostenlose Bücher