Mein wildes Herz
die noch druckfrische Seite. „Du hast Cutter Harding einen weiteren verdienten Stoß versetzt. Vielleicht bringt das seine Arbeiter dazu, sich gegen ihn zu erheben und ihn zu zwingen, sich ihre Beschwerden anzuhören.“
„Ich weiß nicht … der Mann ist äußerst hartherzig. Wir brauchen mehr Gesetze, um die Arbeitsbedingungen festzulegen, und mehr Leute, die diese Gesetze durchsetzen.“
In dem Moment kam ihr Vater die Treppe herunter.„Seid ihr zwei jetzt damit fertig, die Probleme dieser Welt zu lösen – zumindest für heute Abend?“
„Wir stapeln gerade die letzten Bündel auf.“
„Gut. Ich dachte, dass du mir morgen früh, bevor du mit deiner Arbeit beginnst, vielleicht bei dem Forschungsbericht helfen könntest, den ich geschrieben habe.“
Sie war in letzter Zeit so beschäftigt gewesen. „Ich würde mich freuen, deinen Bericht zu lesen, Vater“, erwiderte sie und sah ihn liebevoll an.
„Großartig!“ Er schenkte ihr sein gewinnendes Lächeln, und eine Welle der Zärtlichkeit stieg in ihr hoch.
Sie beendeten ihre Arbeit. Coralee ging nach Hause, und Krista und ihr Vater schlossen ab und bestiegen ihre Kutsche. Krista wusste nicht recht, warum, doch aus irgendeinem seltsamen Grund tat es gut, ihm einfach nur gegenüber zu sitzen. Sie bemerkte, wie müde er aussah, während sie die Furchen betrachtete, die sich in sein Gesicht eingegraben hatten. In letzter Zeit hatte er zu viel gearbeitet. Sie musste dafür sorgen, dass er sich ein wenig mehr ausruhte.
Krista reichte hinüber und nahm seine Hand. „Ich habe dich so vermisst, Vater“, sagte sie, konnte sich aber nicht vorstellen, warum sie es sagte, schließlich sah sie ihn doch jeden Tag.
Etwas regte sich in ihrem Gedächtnis, etwas, an das sie sich nicht erinnern wollte …
„Krista! Wach auf! Sie kommen! Die Eindringlinge kommen!“
Blinzelnd erwachte sie. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, wo sie war. Dann erkannte sie Runa, die am Fußende des Bettes stand. Verzweiflung stieg in ihr hoch. Sie war gar nicht zu Hause, sondern immer noch auf Draugr.
„Schnell! Sie kommen!“
„Wer kommt?“
Runa packte sie bei der Hand und zerrte sie von den Felldecken. „Die Hjalmar!“ Sie zog Krista zum Fenster, schob die Läden auf und enthüllte die dunkle Landschaft, die sich jenseits des Tals bis zu den Hügeln ausdehnte.
„Siehst du die Fackeln dort? Die sind von den Hjalmars. Sie reiten von den Bergen herunter.“
Kristas Puls begann, schneller zu schlagen. „Wo ist Leif?“
„Er ist noch nicht zurück. Wir müssen Olav suchen!“ Runa rannte zur Tür, und Krista folgte ihr. Sie wusste zwar nicht, was die räuberischen Hjalmar im Schilde führten, doch plötzlich schoss es ihr durch den Kopf, dass sie vorbereitet sein musste. Sie stürmte in Leifs Zimmer zurück und ergriff die Lanze, die an der Wand lehnte. Dann beeilte sie sich, Leifs Schwester einzuholen.
„Bleib hier!“, befahl Runa, als sie die Tür erreichten. „Ich suche Olav und bin gleich wieder da!“
„Was soll ich tun?“
Runa deutete auf die Gruppe von Reitern, welche sich vom Hügel her näherten. „Bete, dass es Hjalmar sind und keine Berserker.“
„ Berserker ? Was sind …?“ Doch Runa war bereits fort. Jetzt erinnerte sich Krista vage daran, was das Wort bedeutete. Es waren ruchlose Wikinger, Männer, die gegen die Gesetze des Landes verstoßen hatten, Gesetzlose, die keine Regeln befolgten und kein Gewissen zu haben schienen.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie betete tatsächlich, es mögen Hjalmar sein, die man anscheinend für weniger gefährlich hielt. Draußen vor dem Fenster stürmten mit Schwert und Schild, Kampfäxten und Lanzen bewaffnete Männer aus den flachen Steinhäusern. Einige trugen Helme aus Metall oder Leder. Mit einer Mischung aus Furcht und Entsetzen beobachtete Krista, wie die Reiter das Tal entlangdonnerten, über die nahen Felder ritten und in die Ansiedlung stürmten. Die Männer des Ulfr Clans stellten sich ihnen in den Weg und schwangen ihre schweren Äxte und Schwerter.
„Großer Gott!“, flüsterte Krista, als Runa ins Haus gerannt kam.
„Berserker!“, schrie das rothaarige Mädchen über das Klirren der Waffen und die wilden Schreie der Krieger hinweg. „Und die Hälfte unserer Männer ist auf der Jagd!“
Krista hatte sie am Morgen aufbrechen sehen. Als sie jetzt sah, wie viele in der Ansiedlung zurückgeblieben waren, sank ihr das Herz. „Vielleicht …“ Sie schluckte und begann noch einmal,
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