Mein wildes Herz
und machten ihre Späße über Kristas ungeschickten Umgang mit der Sense. Und wenn sie ihnen nahe kam, flüsterten sie nur noch.
Krista kümmerte sich nicht weiter darum. Sie hatte den Frauen ohnehin nichts zu sagen und verstand auch kaum, was sie über sie redeten. Wenigstens war sie durch die Arbeit beschäftigt, obwohl ihre Gedanken selbst jetzt, wo sie am Rand des flachen Teichs Schilfrohr schnitt, oft zu Leif abschweiften. Sie dachte an Inga und an das Leben, das Leif für sie, Krista, bereithielt, und die Verzweiflung drückte sie nieder.
Warum hatte er ihr nichts gesagt? Er war kein Lügner, und er würde ihr selbst aus Rücksicht nicht die Wahrheit verschweigen. Glaubte Leif also, sie wüsste es bereits? Von ihrem Vater hatte sie viel über die Kultur der Wikinger gelernt, und sie hatte mehr als ein Mal über die Frauen im Haushalt eines Mannes gelesen, und dass dieser Haushalt seine Frau und manchmal seine Konkubinen mit einschloss.
Wie hatte sie das nur vergessen können? Vielleicht hatte Leif es sie vergessen lassen.
Es spielt keine Rolle, sagte sie sich zum hundertsten Mal und versuchte sich einzureden, sie müsste nur weiterhin seinen Heiratsantrag ablehnen. Dann war er gezwungen, eine der Wikingerfrauen zu heiraten, vielleicht Inga oder Hanna, und musste Krista wieder nach Hause bringen. Doch sie bezweifelte, dass er das tun würde, und wurde vom Heimweh gepackt. Das Herz tat ihr weh.
Seit dem Fest hatte sie Leif oder Inga nicht mehr gesehen, und die Vorstellung, dass sie jetzt beieinander sein könnten, machte sie krank.
Um auf andere Gedanken zu kommen, stürzte Krista sich in die Arbeit. Am Ende des zweiten Tages waren ihre Hände rot vom Schwingen der Sense, und auf den Handflächen bildeten sich langsam Blasen. Als Runa am nächsten Tag die Striemen sah, führte sie Krista nicht nach draußen, sondern in die Webstube und ließ sie die Wolle kämmen, die man in großen Körben in die niedrige Steinkammer gebracht hatte. Die Arbeit ging langsam voran und war eintönig. Am Ende des Tages war Krista erschöpft. Sie musste unbedingt Leif sehen, doch als sie Runa nach ihm fragte, sagte das Mädchen nur, er wäre in die Hügel gegangen. Krista hoffte, dass er Inga nicht mitgenommen hatte.
Todmüde und mit roten, brennenden Händen saß sie in ihrem Zimmer, als Leif plötzlich in der Tür auftauchte. Krista sprang auf. Ihr Blick fiel auf sein Gesicht, das ihr so unglaublich teuer war, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Krista!“ Schon war er neben ihr, nahm sie in die Arme und schmiegte die Wange an ihre. Sie konnte seine rauen Bartstoppeln fühlen und fragte sich, ob er sich entschlossen hatte, wieder zu dem Wikinger zu werden, der er einmal gewesen war.
„Es tut mir leid, dass ich dich allein gelassen habe“, flüsterte er auf Englisch an ihrer Wange. „Ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Das kann ich am besten in den Hügeln. Ich hätte dir erklären sollen, warum ich gehen musste. Es tut mir leid, honning .“
Mit wehem Herzen wandte sie sich von ihm ab, auch wenn sie es eigentlich gar nicht wollte. Leif war ein Wikinger. Er lebte, wie Wikinger eben lebten. Das war nicht zu ändern.
Er folgte ihr, legte ihr sanft die Hände auf die Schultern und streichelte sie sehr zart. „Sag mir, was los ist.“
Sie musste schlucken. Zitternd brachte sie ein einziges Wort heraus. „ Inga.“ Es klang wie ein Schluchzer, und sie hasste sich dafür, dass sie ihn merken ließ, wie sehr er sie verletzt hatte.
„Inga?“ Er drehte ihr Gesicht zu sich. „Was hat sie getan?“, fragte er mit ernster Miene.
Krista schüttelte den Kopf. „In der Nacht des Festes habe ich gehört, wie sie sich dir anbot. Ich … ich weiß, dass du sie zu einer deiner … deiner Frauen machen willst.“
Seine Augen wurden dunkel. „Wenn du uns zugehört hast, dann weißt du auch, dass ich ihr Angebot nicht annahm, noch habe ich vor, es zu tun. Was immer Inga und ich miteinander teilten, es ist lange vorbei. Sie besitzt jetzt keine Anziehungskraft mehr auf mich. Es gibt nur eine Frau, die ich in meinem Bett haben will, und das bist du.“
Krista wandte den Blick ab. „Selbst wenn wir heiraten, nimmt ein Wikinger oft andere Frauen in seinen Haushalt, in sein Bett. Meinst du …?“
„Ich sage dir, dass ich nicht vorhabe, mir eine andere zu suchen. Mein Vater hatte eine Frau und sonst keine. Er war meiner Mutter treu bis zum Tag ihres Todes – so treu, wie ich es dir sein werde.“ Leif umfasste Kristas Kinn und
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