Mein Wille geschehe
Cremes, Lotionen
und Make-up herumlagen. Sie hatte sogar ihre
Zahnbürste weggeräumt.
Corey lächelte und öffnete das Spiegelschränk-
chen, um sein Rasierzeug zu verstauen. Es war
leer. Das Lächeln verschwand aus seinem Ge-
sicht, und er runzelte die Stirn. Er schaute unter das Waschbecken, doch dort sah er nur Putzmit-tel und Toilettenpapier. Ein sonderbares Gefühl
stahl sich in seine Magengrube. Er ging ins
Schlafzimmer zurück und öffnete den Schrank.
Da hingen seine Freizeitsachen und seine Unifor-
men, alle sauber und gebügelt. Keine Kleider,
Blusen oder Kostüme, die ihnen Gesellschaft leis-
teten. Hektisch zog er die Schublade der Kom-
mode auf, in der Elise ihre Unterwäsche aufbe-
wahrte, dann die Schubladen, in denen sie T-
Shirts und Pullover verstaute. Alle waren leer. Es gab keine Spur mehr von Elise.
Er wanderte ins Wohnzimmer und fragte sich,
was hier los war. Die logische Antwort war natür-
lich, dass sie bei ihrer Familie untergekommen
700
war, um nicht alleine zu sein. Aber er verstand
nicht, warum sie ihm das nicht gesagt und warum
sie ihre gesamte Garderobe mitgenommen hatte.
Er grübelte immer noch darüber nach, als Elise
hereingestürzt kam.
»Tut mir Leid«, sagte sie atemlos. »Ich dachte,
du seist noch mit deinen Eltern unterwegs, ich
wollte eigentlich vor dir hier sein. Aber wir sind in einen Stau gekommen.«
»Wir?«, fragte er.
»Oh, eine Freundin hat mich hergefahren«, gab
sie beiläufig zur Antwort.
»Wo sind deine ganzen Sachen?«
»Ja, darüber wollte ich mit dir reden«, sagte sie.
»Wohnst du bei deinen Eltern?«
»Gott, nein«, erwiderte sie mit einem kurzen La-
chen. »Meine Mutter hat mich schon vor Monaten
quasi enterbt.« Er sah sie verwirrt an. »Was ist
denn dann los?«
»Nun, ich wohne jetzt bei einer Freundin«, sagte
sie, »einer Freundin von früher.«
»Du meinst, das hast du getan, während ich weg
war«, sagte er.
»Nein, ich meine, ich wohne jetzt dort«, stellte
sie richtig. »Schau, die letzten acht Monate waren die Hölle für mich. Ich bin belagert und attackiert worden. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil
du es schwer genug hattest, aber es war furcht-
bar, und es nahm kein Ende. Ich muss eine Weile
weg von hier.«
701
»Aber du kommst doch sicher bald wieder«, er-
widerte er. »So schnell nicht, glaube ich.«
»Was soll das heißen?«, verlangte er zu wissen.
»Wir sind verheiratet. Du bist meine Frau. Wir
gehören zusammen. Wir können an einen ande-
ren Ort ziehen, wenn du das möchtest. Aber von
meiner Heimkehr habe ich geträumt, seit ich den
Fuß in dieses schreckliche Gefängnis gesetzt ha-
be. Von dem Augenblick, in dem ich dich in den
Armen halten, dich küssen und dir sagen kann,
wie sehr ich dich liebe.« Er stand vom Bett auf
und versuchte, sie an sich zu ziehen, aber sie
entwand sich ihm.
»Jetzt nicht«, sagte sie. »Ich bin so durcheinan-
der. Ich brauche Zeit, um alles zu verarbeiten
und zu überdenken.«
»Können wir das nicht gemeinsam tun?«, fragte
er. »Machen das Eheleute nicht so?«
»Bitte«, sagte sie, »mach es mir nicht noch
schwerer, als es schon ist. Ich muss gehen. Ich
wollte dir nur sagen, dass ich mich irgendwann
melde.«
»Warte«, rief er. »Wer ist diese Freundin? Wie
heißt sie? Gib mir ihre Telefonnummer. Ich muss
dich doch irgendwie erreichen können.«
»Ich ruf dich an«, sagte sie. »Ich versprech’s
dir.« Und ehe Corey wusste, wie ihm geschah,
war sie verschwunden. Benommen wankte er zur
Haustür, öffnete sie und sah gerade noch, wie sie in einen schimmernden schwarzen BMW stieg,
702
der sofort losfuhr.
Er starrte dem Wagen noch nach, als er schon
lange aus seinem Blickfeld verschwunden war.
Was ist passiert?, fragte er sich. Sein Kopf dröhn-te. Wozu das alles? Er konnte nicht mehr klar
denken. Er hatte immer nur seinem Land dienen
und mit seiner Frau ein glückliches Leben führen
wollen. Er hatte acht Monate in der Hölle zuge-
bracht, hatte Kopfschmerzen, Albträume und Ma-
genschmerzen ertragen, alles um ein Vielfaches
schlimmer als auf der »Jackson«, und sich dabei
an diesen Traum geklammert. Nun war seine be-
rufliche Laufbahn wahrscheinlich zerstört, und
Elise war nicht mehr da. Wozu das alles?
»Und, ist das Urteil richtig?«, fragte Nina Bendali.
»Vor dem Gesetz ist es immer das richtige Urteil, das weißt du doch«, gab ihr Gatte zur Antwort.
Sie stupste ihn an. »Na klar weiß ich das«,
Weitere Kostenlose Bücher