Mein Wille geschehe
Grace.
Der Gouverneur von Washington gab seiner Ent-
täuschung darüber Ausdruck, dass es nun keiner-
lei Genugtuung geben würde für die Familien und
Freunde der Opfer und die Einwohner von Seat-
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tle, die ihre Klinik verloren hatten. Der Bürger-
meister von Seattle rief die Bevölkerung dazu
auf, Ruhe zu bewahren.
Der Polizeichef ließ verlautbaren, dass er es für sinnlos halte, den Fall noch einmal aufzurollen.
»Die Akte bleibt jedoch offen«, sagte er. »Sollten uns neue Informationen zugetragen werden, ermitteln wir selbstverständlich weiter.« Die Wah-
len standen bevor, und der demokratische Präsi-
dentschaftskandidat äußerte sich besorgt dar-
über, dass den Opfern des Anschlags mit diesem
Urteil keinerlei Respekt gezollt werde. Ein Spre-
cher des republikanischen Kandidaten ließ durch-
blicken, dass man den Freispruch als deutlichen
Hinweis auf die veränderte Stimmung zur Abtrei-
bung im Lande werte. Insgeheim waren beide
Kandidaten verärgert. Im ganzen Land riefen re-
ligiöse Führer zur Besonnenheit auf.
In PortTownsend lehnte sich Jefferson Reid in
seinem Sessel zurück, legte die Füße in den
schweren braunen Stiefeln auf einen Berg Akten
auf seinem Schreibtisch und erlaubte sich ein
breites Grinsen.
Craig und Louise Jessup führten AI Roberts und
seine Frau zum Essen aus.
Als Detective Dale Tinker von dem Urteil erfuhr,
zog er los und betrank sich.
»Ich dachte, du würdest für immer und ewig in
diesem Prozess hocken«, erklärte Allison Acker-
mans Tochter. »Und nun? Ein Buch über diese
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Erfahrung?«
»Keinesfalls«, erwiderte Allison entschieden. »Ich habe nicht die Absicht, über irgendetwas, das
sich da abgespielt hat, zu sprechen oder gar zu
schreiben.«
»Bist du wenigstens mit dem Urteil zufrieden?«
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, dachte Allison. Die junge Frau verfügte über die Eigen-
schaft, den Finger auf die Wunde zu legen.
»Ja«, antwortete sie, »und nein.«
»Tja, jetzt, wo alles vorbei ist: War der Prozess so, wie du es dir erhofft hattest?«, wollte Stuart Dunns Frau von ihrem Gatten wissen.
Der Lehrer überlegte einen Moment. »Ich glaube,
meine Schüler werden aus meinen Berichten eine
Menge lernen können«, sagte er schließlich.
»Ich muss zugeben, ich hatte nicht damit ge-
rechnet, dass ihr ihn für nicht schuldig befinden würdet.«
»Das haben wir auch nicht getan«, erwiderte
Stuart. »Wir sind lediglich zu dem Schluss ge-
kommen, dass der Staat seine Anklage nicht so
beweisen konnte, dass begründete Zweifel aus-
geschlossen waren.«
»Gibt es da einen Unterschied?«
Stuart seufzte. »Es sollte zumindest einen ge-
ben«, sagte er.
»Unsere Gebete sind erhört worden«, verkündete
Jonathan Heal seiner Gemeinde in der abendli-
chen Gebetsstunde. »Der junge Corey Latham ist
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frei, und ein schwerer Schlag ist gegen jene Kräf-te des Bösen geführt worden, die ihn für einen
Akt der Befreiung verdammen wollten. Jene, die
ihn unterstützt haben, können heute Abend stolz
sein, sehr stolz.« Rose Gregory schüttelte den
Kopf und schaltete den Fernseher aus. »Der
Mann ist ein Idiot«, sagte sie verdrossen zu ihrer Enkelin. »Ich verstehe nicht, wieso ich den jemals gut fand.«
»Nun?«, fragte Larry King seine beiden Gäste an
diesem Abend.
»Wie Sie sich gewiss vorstellen können, Larry,
habe ich den ganzen Morgen die Luft angehalten,
bis ich die gute Nachricht hörte«, verkündete
Prudence Chaffey vom AIM überschwänglich,
»und ich bin hoch erfreut. Die Geschworenen ha-
ben ein Zeichen gesetzt. Dieser Tag ist ein Sieg
für die Rechte der Ungeborenen. Nun müssen wir
diese Botschaft nur noch morgen bei den Wahlen
verkünden.«
»Hier liegt eine weitere krasse Missachtung der
Gerechtigkeit vor, wie wir sie zunehmend häufi-
ger erleben müssen«, widersprach Priscilla Wales
von FOCUS. »Dieser Freispruch öffnet jedem Ir-
ren, der den Kliniken für Frauen schaden will, Tür und Tor. Das wird nichts Gutes zur Folge haben.
Ich hoffe, das ist den Wählern bewusst, wenn sie
ihre Stimmzettel ausfüllen.«
»Seit das Urteil verkündet wurde, habe ich viele
Gerüchte gehört«, sagte King, »angefangen von
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Beeinflussung der Geschworenen über schlampi-
ge Polizeiarbeit bis zu wackligen Beweisen. Doch
hält eine der hier anwesenden Damen es viel-
leicht für möglich, dass Corey Latham in der Tat
nicht schuldig sein könnte an diesem Verbre-
chen?«
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