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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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dann ist sie einfach vom Stuhl gerutscht.«
    »Und ihr musstet sie gehen lassen.«
    »Ich neige dazu, der Frau zu glauben.« Paul biss in seine Wurst. Sie tropfte, und er wischte sich mit einer Serviette über den Mund. »Sie leidet unter Amnesie. Die Daten hat sie nur aus Erzählungen gekannt. Ich glaube, sie hat sie wirklich verwechselt.«
    »Hanna, war ihre Tochter auch auf dem Sommerfest?«, fragte Ehrlinspiel.
    »Keine Ahnung. Ich habe sie nicht gesehen. Nur der Pfarrer kam einmal zum Waffelstand und fragte, ob alles in Ordnung sei. Er hatte ein Kind dabei, das eine Miniausgabe von ihm war. Brille, Pferdeschwanz. Und sie sagte irgendwas von Stolz auf die eigenen Kinder zu ihm.«
    »Mhm.« Moritz viertelte eine Tomate und streute Salz darauf.
    Paul deutete mit dem Messer auf die Viertel. »Sind eigene.«
    »Apropos«, sagte Lilian, »hat Paul dich gebeten, den Rasen und die Beete zu sprengen? Schlüssel hast du ja.«
    Ehrlinspiel sah zu Paul. Der schaute weg. »Nein.«
    »Der Garten überlebt das schon.«
    »Ihr seid unmöglich«, sagte Lilian.
    Schweigen legte sich über die Runde. Hanna ging durch die Terrassentür in das Wohnzimmer. Rasch eine SMS an Kora, dachte sie, doch ihr iPhone war nicht in der Tasche. Sie überlegte. Neben dem Waffelstand hatte sie noch mit der Freundin telefoniert und ihr von dem bevorstehenden Abend erzählt. Sie hatten gelacht … und dann? Verdammt, das iPhone lag vermutlich irgendwo auf der Wiese. Und sie hatte sich so lange überlegt, ob sie sich das teure Ding leisten sollte. »Typisch ich«, fluchte sie leise.
    »Hanna?«, rief Moritz von draußen.
    »Ja.« Sie nahm ihr Saxofon aus dem Kasten, befeuchtete mit der Zunge das Blättchen, trat wieder hinaus und sah in den schwarzen Himmel. Dann schloss sie die Augen und dachte:
Für dich, Moritz,
und sie spielte Bill Evans und Joe Henderson, improvisierte über ein Thema von Lee Konitz und verfiel in ein freies Spiel. Die näselnden Töne umfingen sie, streichelten sie, trugen ihre Gedanken in die Nacht und zu dem Abend am Baggersee. Ihre Finger bewegten die Klappen, leicht und virtuos, und irgendwann krochen die Rhythmen in jede ihrer Fasern, in ihr Innerstes, beruhigten sie, und sie wünschte, dass auch Moritz und Paul zur Ruhe kommen konnten.
    Als sie ihr Spiel beendete und die Augen öffnete, sah Moritz sie an.
    Er lachte nicht, und er schaute nicht ernst, doch sein Blick, dessen Grün im gedimmten Licht spiegelte, drang bis in ihre Seele, streichelte sie, wie es die Töne getan hatten, krochen in sie wie die Rhythmen der Melodie.
    Du kannst zuhören, wenn ich spiele, dachte sie. Wie deine Freunde. Bei Sven musste ich immer alles übertönen.
    »Toll«, sagte Lilian. »Jetzt warte ich nur darauf, dass die Brecht aus der Dachluke oder der Kimmich vom Balkon rüberschreit.«
    Doch alles blieb still, nur ein Auto fuhr in der Ferne vorüber.
    »Komm, setz dich zu uns.« Ehrlinspiel zog Hanna sanft am Handgelenk, und sie glaubte, dass Feuer sich auf ihre Haut legte.
    Dabei wollte sie mindestens ein Jahr keinen Mann mehr. Erst recht keinen Karrieretypen. Er hatte ihr alles erzählt: Spitzenabitur, Vorausbildung bei der Bereitschaftspolizei Bruchsal, Studium an der Polizeihochschule Villingen-Schwenningen, Einstieg direkt im Gehobenen Dienst bei der Kripo als Polizeikommissar. Sechs Jahre später war er bereits Kriminalhauptkommissar geworden. Auch frühere Frauengeschichten hatte sie zu hören bekommen. Doch im Gegensatz zu seinem Ruf wirkte Moritz auf Hanna weder streber- noch machohaft. Jedenfalls nicht generell.
    Hanna setzte sich und legte das Saxofon quer über ihre Beine. Freiburg war schön. Die Menschen waren aufgeschlossen. Und sie hatte sich verliebt. Weit weg von ihrem geliebten Hamburg. Was das bedeutete, wollte sie heute nicht überlegen.
    »Versprich mir, dass du dich von bösen Menschen fernhältst«, riss Moritz’ Stimme sie aus ihren Gedanken.
    »Hach«, seufzte Lilian. »Wenn mein Göttergatte das nur auch so sorgenvoll zu mir sagen würde.«
    Paul schmunzelte. »Versprich mir, liebste Lilian, dass du dich von bösen Menschen fernhältst. Am besten tausend Kilometer. Die dänische Ostsee wäre ein toller Ort.«
    Lilian gab ihm einen Kuss. »Danke. Das macht vieles wieder gut. Der Tag heute war auch für mich schlimm.«
    »Die Beerdigung deines Hospizgastes? Die junge Frau?«
    »Mhm.«
    Hanna hatte vorhin gehört, dass Menschen im Hospiz »Gäste« hießen, nicht »Patienten« oder »Bewohner«. In Würde leben bis

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