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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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verlieren.
    Entschlossen ging sie in die Küche, schob den Weinkarton in den Schrank und schloss mit festem Druck dessen Tür. Dann kontrollierte sie die Sicherheitsschlösser. Fast beschwingt kehrte sie ein letztes Mal zum Fenster zurück, löschte das Licht und lugte die elf Stockwerke hinab. Autos, die bereits die Scheinwerfer eingeschaltet hatten und wie immer zu schnell fuhren. Ein Motorrad. Ein knutschendes Pärchen. Die Bewegung hinter den Müllcontainern erfasste sie in dem Moment, als sie den Vorhang zuzog. Sie glaubte, ihr Herz setze aus. Sie schlug die Hand vor den Mund und schob zitternd den Vorhang wieder beiseite, Zentimeter für Zentimeter, richtete den Blick auf die Müllsammelstelle. Kein Mensch war zu sehen.
    Es war eine Täuschung,
sagte sie sich. Nichts Schlimmes. Es war der Wein. Nur zu viel Wein.

[home]
9
    Kurz vor Mitternacht
    E r hatte nicht damit gerechnet, so schnell ans Ziel zu kommen.
    Leise schloss er die Wohnungstür von innen, ging im Dunkeln durch die Diele ins Wohnzimmer und warf den Schlüsselbund auf den großen Esstisch, der sich im Licht der Straßenlaternen schwach abzeichnete. Nur ein leises Quietschen war von seinen Schritten auf dem Parkett zu hören. Draußen, auf der Straße, schluckten die Gummisohlen jedes Geräusch vollkommen.
    Er liebte die Nacht. Sie war seine Zeit und die Dunkelheit seine Seele. Er selbst war nur ein Schatten.
    Mit einem Griff öffnete er den komplizierten Schließmechanismus des Wandschranks, plazierte das schwere Dreibeinstativ vor dem seitlichen Fensterflügel und montierte das Cassegrain-Teleskop darauf. »Eine gute Entscheidung«, hatte der Verkäufer zu ihm gesagt. »Sphärischer Hauptspiegel, Sekundärspiegel plus asphärische Korrekturplatte, Servomotor, Computersteuerung. 2034 Millimeter Brennweite des optischen Tubus. 840-faches Lichtfassungsvermögen einer menschlichen Pupille! Sie werden so präzise sehen wie eine Raubkatze in der Nacht!« Er hatte genickt. Präzision gehörte zu seinem Job. »Sie können sogar galaktische Nebel damit erforschen«, hatte der Verkäufer erklärt, »Kugelsternhaufen, die Strukturen der Jupiterstreifen, die Hauptteilung der Saturnringe und …« »Packen Sie es ein«, hatte er erwidert und seine Kreditkarte herausgezogen. Der Himmel interessierte ihn einen Dreck. »Eine gute Entscheidung«, hatte der andere Mann lächelnd wiederholt und rasch hinzugefügt: »Und fotografieren können Sie selbstverständlich auch damit.«
    Er zog sich einen Stuhl heran, richtete das Teleskop auf das Haus gegenüber und blickte durch den Sucher. Der Verkäufer hatte nicht zu viel versprochen. Kontrast und Schärfe waren hervorragend, und wenn er die Bilder hinterher auf seinen Laptop lud, konnte er jede Wimper, jedes Muttermal und jede Hautrötung wie mit dem Skalpell herausgelöst erkennen.
    Hier, von diesem Platz aus, sah er all das, wonach er gesucht hatte. Und mehr.
    Langsam drehte er das Gerät in der horizontalen Ebene, ließ Fenster für Fenster der Häuserzeile vorübergleiten. Dachgeschoss, erste Etage, Erdgeschoss. Bis auf drei Wohnungen lagen alle im Dunkeln. Die Arztpraxis sowieso.
    Er fokussierte auf das erste der erhellten Fenster. Eine Frau in einem der Mittelhäuser, telefonierend, dabei stand sie vor dem verspiegelten Schlafzimmerschrank und strich sich unentwegt über die linke Brust. Das zweite Fenster, hinter dem Licht brannte, lag darunter. Zwei Männer und eine Frau, die um einen Tisch saßen, Pizza aus einer Pappschachtel aßen und Bier tranken. Mit nahezu lautlosen Klicks machte er einige Fotos und drehte das Teleskop dann nach links auf das nördliche Endhaus. Sein Lid begann zu zucken.
    Als er vorhin seine Runde gedreht hatte, war er nicht darauf gefasst gewesen, ein bekanntes Gesicht zu treffen. Ganz unvermittelt war sie vor ihm gestanden, an der Kreuzung mit der großen Ampelanlage, kurz vor den Hochhäusern, und hatte versucht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Zuerst hatte er überlegt, wer sie war. Dann gelächelt. Charmant. Hatte genickt und ab und zu »ja«, »wie schön« und »ach, das freut mich aber« gesagt, während seine Hände sich in das Futter der Hosentaschen gekrallt hatten, das Donnern der Straßenbahnen ihre Worte geschluckt und ihr Gesicht im Licht der Ampel abwechselnd grünlich und rötlich geschimmert hatte. Als sie sich endlich mit einem »Vielleicht sieht man sich bald« verabschiedet hatte, war er den Rückweg fast gerannt, bis in seine Straße, und erst, als er die

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