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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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kommt?«, fragte er mehr sich selbst als Freitag, als er den Ledergürtel seiner Jeans schloss.
    »Möglich.«
    »Manchmal erscheinen mir Stadtteile wie eine abgeschlossene Gemeinschaft. Wie das Schwarzwalddorf im letzten Winter. Da ist auch keiner von außen gekommen.«
    »Abgesehen von einer brünetten Redakteurin aus Hamburg, die meinem Freund den Wuschelkopf verdreht hat.« Freitag schmunzelte.
    Mit einem Ruck zog Ehrlinspiel sein T-Shirt über den Kopf und warf sich die Sporttasche über die Schulter. Er fühlte sich ertappt und war erleichtert, als sein Handy klingelte. Er riss es aus der Sporttasche.
    »Ich hab was für dich«, begrüßte ihn der Leiter des Verkehrsunfalldienstes.
    Ehrlinspiel sah die buschigen Augenbrauen des Mannes vor sich, den alle » EG « für »Elefantengehirn« nannten, gesprochen wie die englische Abkürzung: »I-dschi«. Er vergaß nie auch nur einen Namen eines Unfallopfers, und wenn er auf blutigem Asphalt stand, zwischen zerfetztem Blech, abgetrennten Gliedmaßen, zerschnittenen Gesichtern und dem Geruch verkohlten Gummis und Fleischs, waren ihm Respekt und Empathie gegenüber den Verunglückten anzumerken. Ehrlinspiel hoffte, dass er, Moritz, nicht noch zu einem Einsatz musste, bei dem auch die Kripo gefordert war, weil zum Beispiel ein Verdacht auf Suizid bestand. »Ja?«
    »Martin Gärtner. Ich kannte ihn.«
    »Was?« Ehrlinspiel winkte Freitag heran, damit er mithören konnte.
    »Ich habe ein Seminar an der Polizeiakademie in Wertheim gegeben und bin erst heute Nachmittag zurückgekommen, deswegen habe ich den Namen erst vorhin gehört. In der Cafeteria habe ich Meike getroffen, und sie hat mir von dem Fall erzählt.«
    »Und?« Er hob die rechte Schulter, damit die Tasche nicht herunterrutschte.
    »Martin Gärtner hat im November 1997 ein Kind überfahren. Charlotte Schweiger.« EG machte eine kurze Pause. »Sie war erst sieben Jahre alt.«

[home]
8
    D er Korken löste sich mit einem lauten Plopp aus der Weinflasche.
    Das hatte sie sich verdient! Einen süßen, weißen Tropfen. Laut Etikett irgendetwas aus dem Markgräflerland.
    Neun Stunden hatte Gabriele in der Praxis geschuftet. War auf halbhohen Absätzen zwischen Empfang, Warte- und Sprechzimmer hin und her gelaufen, hatte Nadeln in Arme und faltige Hinterteile gestochen, stinkende Verbände gewechselt, Rezepte ausgedruckt und immer brav gelächelt. Und jetzt war sie elf Stockwerke zu Fuß hinaufgegangen. In die Abgeschlossenheit ihrer vier Wände. Ihren Bunker. Den Weinkarton hatte sie unten in den Aufzug gestellt und allein nach oben geschickt.
    Sie schleuderte die Schuhe von ihren Füßen und stöhnte laut. Der Schweiß lief ihr in Strömen über den verhassten Körper, und ihre Sprunggelenke glichen zwei glühenden Bällen. Sie wusste, dass sie roch wie eine Fußballmannschaft nach dem WM -Finale. Und dass ihre riesige Bluse sich zwischen die Speckfalten schob, die sie sogar auf dem Rücken mit sich herumschleppte. Sie wusste auch, dass ihre Kopfhaut durch die dünnen Haare schimmerte. Und dass sie sich, um abzunehmen und ihre Ausdünstungen zu reduzieren, schlackenärmer und gemüsereicher ernähren müsste und auf Alkohol verzichten sollte. Doch wozu?
    Gabriele nahm ein Glas aus dem Schrank, goss ein und leerte es im Stehen.
    Es gab schon lange niemanden mehr, für den sie hübsch hätte aussehen wollen. Wochenende. Und sie war wieder allein hier oben. Mehr noch: Sie war einsam, fett und vierundvierzig Jahre alt. Marktchancen gleich null. Da spielte es keine Rolle, dass sie ihre Kleidung bald nur noch in der Zeltabteilung kaufen konnte und die Gläser Wein nicht mehr zählte. Alkohol half zumindest. Und geschadet hatte er ihr bislang auch nicht. Sie vertrug eine ganze Menge. Ihr Chef, Wittke, der sie manchmal so seltsam musterte, hatte neulich sogar selbst gesagt, dass ihr das tägliche Glas sicher guttue, für die Nerven und den Kreislauf. Da war gegen zwei oder drei Gläser doch wohl auch nichts einzuwenden!
    Einzig Patienten und Kolleginnen gegenüber verspürte sie so etwas wie Scham. Sie wollte gern stark sein und Souveränität beweisen. So wie Thea Roth, zum Beispiel. Es gelang ihr nicht. Doch sie riss sich zusammen und erschien jeden Tag zur Arbeit. Sie schminkte sich sogar. Immerhin sicherte der Job ihr Überleben, er bedeutete auch eine Tür zu der Welt da draußen. Wenn sie in der Praxis war, konnte sie für ein paar Stunden vergessen.
    Gabriele füllte ihr Glas erneut und schlurfte damit aus der

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