Mein wirst du bleiben /
eine Schwester im Osten der Stadt, aber die ist schon lange tot. Die Großeltern leben oder lebten meines Wissens nicht in Freiburg. Aber da bin ich ehrlich überfragt.«
Ehrlinspiel bedankte sich und ging hinaus. Als er von der Kirche weglief, hörte er, wie die Tür zufiel und Müller leise absperrte.
Heute ist der Tag Gottes. Sonntag. Ich muss lachen. Denn draußen schweigt die Nacht, und das Universum hat die Flügel der Dunkelheit über die Schöpfung gebreitet – doch ich bin umhüllt von Licht und Leidenschaft. Nicht wegen der Kerze, die ich angezündet habe, um mit blutroter Tinte und dem leisen Kratzen der Füllfeder das Manifest unserer Liebe zu beschwören. Sondern weil heute ein Tag der Freude ist.
Ich habe dich beobachtet. Dir ein Lächeln geschenkt. Und du hast es bemerkt und angenommen. Nur meins. Die andern Gesichter sind abweisend. Aus dem Augenwinkel kam dein verschämtes Lächeln zurück. Zögerlich. Verhuscht. Eine Sekunde nur, kaum merklich, inmitten dieses Hauses voll profaner und verlogener Menschen. Vielleicht glaubtest du, ich bemerke es nicht. Oder du schämtest dich, weil sie dir einreden, du seist es nicht wert, geliebt zu werden? Du darfst ihren finsteren Worten nicht glauben! Ich habe dein Zeichen verstanden, dein heimliches Bitten, deine Einladung an mich. Ich weiß deine Blicke zu deuten, kenne dich in- und auswendig.
Ich weiß, du hast nicht vergessen, was zwischen uns war. Ich spüre es. Du erinnerst dich an jede gemeinsame Stunde. An die Leidenschaft. Und die Qual. Du hast mich geliebt. Und du tust es noch!
Du hast einmal gesagt, ich enge dich mit meiner Zuneigung ein. Damals, kurz bevor du mich zum zweiten Mal verlassen hast. Doch das stimmt nicht. Es sind die schwarzen Engel, die dir die Luft zum Atmen nehmen. Sie versuchen, dich wieder und wieder zur Geißel des Hasses zu machen. Sie bringen dich dazu, dich mit tausend anderen Dingen zu beschäftigen, nur nicht mit uns. Die Schwarzen sind es. Mit ihren giftgetränkten Schwertern und Schwingen. Das hast du jetzt verstanden, nicht wahr? Ein Opfer haben sie bereits gefordert. Und jetzt bist du mir zugewandter, auf deine Weise. Aber sei getrost: Ich bin dir näher, als du denkst.
Jeder weiß, dass jetzt der Tod Einzug gehalten hat. Aber die Leute sind feige und sehen weg. Ihre Augen verschließen sich vor dem Guten. Vor der Erlösung. Auch dich erfüllt das Ende mit Angst.
Du musst so unendlich müde sein. Bestimmt hast du kaum geschlafen in den letzten Nächten. Ich sehe dich, wie du dich in deinem Bett hin- und herwälzt, in Alpträumen leise murmelst, hochfährst, um dich starrst und dir die verklebten Haarsträhnen aus dem Gesicht streichst. Das tut mir so leid. Es schmerzt mich, macht mich unruhig, und das Bluten deines Herzens lässt auch mein Herz bluten. Denn wir sind eins. Aber ich muss zugeben: Die Vorstellung, dass du so elend aussiehst, gefällt mir. Das stößt andere ab. Hält Diebe fern. Das Böse, das die zarten Bande, die erneut zwischen uns erblühen, trennen möchte. Die schwarzen Wesen mit ihren drohenden Schwingen und erhobenen Schwertern. Die Feinde des Lichtes. Unser beider Feinde!
Doch sei gewiss: Sie können unsere heimlichen Gedanken nicht rauben. Das Gute gehört uns, und ich habe es fest eingeschlossen. So fest, wie ich dich einschließen werde. Zusammen mit dem Licht – mit mir! Eine Bastion wird es werden. Beständig wie Fels und Erz, und ich setze jeden Tag einen Stein auf das Bollwerk unserer Liebe.
Darin wirst du mit mir leben. Für immer. Die Schwarzen auf dem Altar der Liebe geopfert. Das Licht ein ewiges Strahlen.
Du wirst nicht entkommen.
[home]
12
Sonntag, 1. August, Abend
E hrlinspiel öffnete die Tür zur Dachterrasse, drehte den Herd auf mittlere Hitze und gab zwei Teelöffel Sahne über das Kaninchenmuskelfleisch. Es zischte, und sofort stieß Bentley raunzend mit dem Kopf gegen sein Schienbein.
»Es muss erst abkühlen, alter Racker«, sagte er zu dem Siamkater und äugte zu Bugatti, seinem Bruder. Wie immer thronte der wie eine Sphinx auf dem Fensterbrett, das Hinterteil dem Kommissar zugewandt, und blickte auf den baumbestandenen Platz vor dem Haus hinab. Bugatti brauchte stets eine extra Streicheleinheit und lockende Worte, um zum Fressen zu kommen, und wenn dieses seinen adligen Geschmacksnerven nicht zusagte, drehte er sich erhobenen Hauptes und mit aufgestelltem Schwanz ab. Im Winter rollte er sich dann beleidigt auf Ehrlinspiels Bambusbett zusammen, jetzt, im Sommer,
Weitere Kostenlose Bücher