Mein wirst du bleiben /
Kichererbsenmus unter einem großen Kastanienbaum. In seiner Krone hingen Lichterketten und warfen ein warmes Licht auf die mosaikbesetzten Tischplatten. Der kleine Hinterhof lag zwischen alten Häusern mit efeuüberwucherten Fassaden. An den vier Nebentischen plauderten Leute, aus der geöffneten Hintertür der Cafébar drang Jazzmusik, und Hanna wippte unter dem Tisch mit dem Fuß im Takt.
Ich werde später eine Runde Saxofon spielen, dachte sie. Das wird der wunderbare Abschluss eines wunderbaren Abends, nur für mich allein. Sie sah Ehrlinspiel an. »Sie sind öfter hier, oder?«
Er nickte. »Ich liebe diese kleine Oase. Eigentlich ist ›Cafébar‹ eine ganz falsche Bezeichnung für diesen Ort. Idris, der Inhaber, zaubert zwar den besten Milchschaum der Welt, aber abgesehen von seinen italienischen Kaffeespezialitäten, kocht er auch hervorragende arabische Kleinigkeiten. Oder genauer gesagt: seine Frau.« Er deutete auf den Teller. »Nehmen Sie. Sonst esse ich alles weg.«
»Kleinigkeiten ist gut.« Sie sah auf die glasierte Platte mit den Bergen von Leckereien, die der dunkelhäutige Mann mit dem raubvogelartigen Gesicht mit einer leichten Verbeugung zwischen sie gestellt hatte. Sein Haar war blauschwarz und sein Lächeln still gewesen. »Idris ist Syrer?« Sie legte zwei Gemüsescheiben und etwas Mus auf ihren Teller.
»Ja. Und er verehrt Jazzmusik und verrückte Leute.«
»Aha, deshalb.« Schmunzelnd aß sie. »Wow, lecker.«
Er sagte nichts und sah sie an.
»Wollten Sie mir nicht alles wegessen?« Sie deutete auf die Platte. »Oder machen wir’s umgekehrt?«
Ehrlinspiel griff zu. »Ihr Buch ist toll geworden. Kompliment.«
»In dieses Kichererbsenzeug könnte ich mich reinlegen.« Sie nahm nach. »Arabische Küche. Einfach irre.« Auf ihren vielen Reisen in den Nahen Osten hatte sie oft der Versuchung widerstanden, sich an den bunten Basarständen diese köstlichen Leckereien zu gönnen. Entweder pures Fett oder purer Zucker. Pest oder Cholera. Oder beides. Immer aber reines Hüftgold – denn um ihren Po und oberhalb davon materialisierte sich jede Sünde schneller, als sie schlucken konnte. Doch heute pfiff sie auf Kalorien und Kilos. Sie wollte diesen Tag einfach genießen, durchatmen, und sich nach dem Erfolg voller Elan in ihr neues Projekt stürzen. »Und das nächste Buch soll genauso toll werden. Kennen Sie sich im Kaiserstuhl und dem Markgräflerland aus?«
Sofort war es wieder da, sein schiefes Lächeln. Hanna musterte den Hauptkommissar. Grüne Augen, kantiges Gesicht, frisch rasiert. »Blöde Frage an einen Freiburger, ich weiß. Sie kennen den Kaiserstuhl wahrscheinlich so gut wie ich die Hamburger Promi-Cafés. Vertrautes Terrain seit frühester Jugend?«
Ehrlinspiel sagte nichts, und sein Lächeln verschwand.
»Sollen wir über etwas anderes reden?« Offenbar kultivierte er noch immer seine merkwürdige Art, plötzlich zu verstummen, was sie am Anfang nicht hatte einordnen können. Inzwischen war ihr sein Charakter gleichgültig und von ihrer Verwirrung nichts mehr übrig geblieben. Obwohl sie keinen Hunger mehr hatte, kratzte sie die Schüssel mit dem Kichererbsenmus aus und sah dabei abwartend zu Ehrlinspiel. Sie empfand nichts außer Neugier und gesunder Sympathie. Wiedergewonnene Freiheit, dachte sie erleichtert. Innere Distanz. Zufrieden leckte sie den Löffel ab.
»Nein, nein.«
»Okay. Im Kaiserstuhl lege ich gleich am Wochenende mit den Recherchen los. Soll das wärmste und sonnenreichste Gebiet Deutschlands sein. Nicht gerade die beste Jahreszeit für Touren dort. Aber vielleicht zeigen Sie mir ja ein paar Ihrer Lieblingsplätze? Natürlich nur, wenn Sie Zeit und Lust haben.«
Ehrlinspiel lehnte sich zurück und blickte in den Kastanienbaum. »Wir werden sehen«, sagte er und fügte wie zu sich selbst hinzu: »Ich war schon länger nicht mehr dort.«
»Kein Problem.« Sie würde die schönen Ecken auch allein finden, und außerdem gab es genügend Menschen, die sie vor Ort interviewen konnte. Darin war sie richtig gut. Ihr Handwerk beherrschte sie aus dem Effeff. Warum Moritz Ehrlinspiel plötzlich so zögerlich war, verstand sie nicht. Immerhin war er derjenige gewesen, der mit ihr zum Essen hatte gehen wollen.
»Wie ist Ihre Ferienwohnung? Fühlen Sie sich wohl?«
Aha, Themenwechsel. »Und wie. Sie ist liebevoll eingerichtet, und die Vermieterin ist ein Engel.« Ich werde die Zeit hier genießen, dachte sie. Und arbeiten.
Idris kam heraus und zündete die
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