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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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werden, Unsicherheit als eine Grundbedingung zu akzeptieren. Wir müssen uns einfach an die Tatsache gewöhnen, dass die Wissenschaft nicht immer absolute, endgültige Antworten liefert;Wissenschaft ist ein ewig fortschreitender Prozess, der unser Verständnis der Welt dauernd verändert.
    Wie Robert Cook Deegan, der Leiter der Abteilung Genomethik, Recht und Politik an der Duke University, in seinem Beitrag auf dem Podium sagt: »Unabhängig davon, welche Probleme heute bestehen, kommen wir um die Tatsache nicht herum, dass sich das Denken auf dem Gebiet selbst grundlegend gewandelt hat. Es gibt die Möglichkeit des Zugangs zu persönlicher genetischer Information, und die Information wird immer billiger und besser.«
    Das deutsche Gesetz bezeichnet er als »reine Idiotie«. Und er fährt fort: »Die Menschen vor der individualisierten Genanalyse schützen zu wollen, ist, als wollte man das Internet dicht machen, weil es dort Pornografie gibt, die unbehütete Seelen verderben könnte. Genau so verfahren die Deutschen mit ihrer Prohibition. Sie handeln aus Angst und ohne zu bedenken, welche potenziellen Vorteile sie sich entgehen lassen.«
    Trotz allem wurde ein interessanter Schritt getan. Seit vielen Jahren ist mantraartig die Rede von »gefährlichem Wissen« und dem »Recht auf Nichtwissen«. Die vorherrschende Einstellung ist, man solle »die Menschen« vor Wissen bewahren, das sie belasten könnte, weil sie als Nicht-Experten nicht in der Lage sind, es einzuordnen. Freundlich könnte man das als paternalistischen Schutz bezeichnen, man könnte es aber auch Hochmut der Experten nennen. Doch die ersten Untersuchungen, wie Menschen auf genetische Informationen reagieren, erscheinen gerade und deuten darauf hin, dass die Normalverbraucher hervorragend mit solchen »gefährlichen« Informationen über sie selbst umgehen.
    Robert Green forscht seit vielen Jahren an der Boston University über Alzheimer. Seine Kollegen und er haben die Verwandten von Alzheimer-Patienten auf die ApoE4-Variante getestet, die das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, verzehnfacht. Sie fanden überraschenderweise heraus, dass die Personen, die diese – möglicherweise fatale – Variante besaßen, nicht mehr Stress zeigten und nicht mehr Angst vor der Zukunft hatten als diejenigen, die nicht getestet worden waren und folglich ihr Risiko nicht kannten. 3 Allerdings berichteten die Träger von ApoE4 über mehr Stress in den ersten sechs Wochen nach Mitteilung der Testergebnisse als Personen ohne das entsprechende Wissen. Doch eineinhalb Jahre später, als die Forscher erneut mit beiden Gruppen sprachen, war kein Unterschied im psychischen Befinden mehr zu erkennen. Im Gegenteil: Ein Teil derjenigen, die von ApoE4 wussten, planten ihre Zeit viel sorgfältiger und dachten mehr über ihr Leben nach als diejenigen, die möglicherweise ein ähnliches Alzheimerrisiko hatten, aber beschlossen hatten, nichts darüber erfahren zu wollen.
    Und wie steht es mit den allgemeinen Genprofilen und den Krankheitsrisiken, die sie enthüllen? Nach einer Studie des Scripps Translational Science Institute lösen solche Tests anscheinend keine verstärkten Ängste aus. Die Forscher beobachteten über zweitausend Personen, die ein SNP-basiertes Genprofil bei dem Unternehmen Navigenics gekauft hatten, über sechs Monate nach Mitteilung der Ergebnisse und fanden keinen Hinweis darauf, dass in irgendeiner Form Stress ausgelöst worden war. 4 Das veranlasste den Leiter der Studie, Eric Topol, gegenüber der New York Times zu der Bemerkung: »Bisher gab es viele Spekulationen über die Wirkung solcher Tests und wurden viele Ängste geschürt, wie ich sagen würde, aber nun haben wir konkrete Daten.« 5
    In einer anderen interessanten Studie unter der Leitung von Colleen McBride von den National Institutes of Health wurde Rauchern, die Patienten mit Lungenkrebs in der Verwandtschaft hatten, ein Test auf eine Genvariante angeboten, von der man weiß, dass sie bei Rauchern das Risiko für Lungenkrebs erhöht. Die Forscher verfolgten die Hypothese, dass Personen, die erfahren, dass sie kein erhöhtes oder womöglich sogar ein unterdurchschnittliches Risiko für eine bestimmte Krankheit haben, gleichgültig reagieren würden. Mit anderen Worten: Sie werden weiter rauchen, wenn sie glauben, dass sie im Hinblick auf Lungenkrebs einen genetischen »Freifahrtschein« bekommen haben, so wie sie weiter Berge von ungesundem Fastfood in sich hineinstopfen würden, wenn ihre Gene es

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