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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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Konferenz, der Biotech-Unternehmer John Boyce. Ich sehe viele Personen, die ich von meinen Streifzügen durch die Welt der genetischen Revolution kenne. Sorenson Genomics ist vertreten, um über die wachsende Nachfrage nach Vaterschaftstests in Amerika zu sprechen, die man per Post bestellen oder in der nächsten Apotheke kaufen kann. DeCODEme ist natürlich auch dabei. Ihr Stand befindet sich zufälligerweise neben denen von zwei Wettbewerbern, die anbieten, das komplette Genom eines Menschen zu sequenzieren, nicht nur eine mickrige Million Snips.
    Aber auch in diesem Paradies gibt es Schlangen. Eine Podiumsdiskussion dreht sich um die »Kräfte«, die versuchen, einen freien Markt zu begrenzen oder einzuhegen. Die deutschen Behörden zum Beispiel finden nicht, dass es wünschenswert und vertretbar ist, hoch entwickelte genetische Tests direkt in die Hände ahnungsloser Bürger zu geben. Da nicht jeder in der Lage sei, genetische Informationen allein zu verstehen, müssten Gentests welcher Art auch immer von einem Arzt verschrieben werden.
    »Die Deutschen sind ein interessantes Volk«, ist eine affektierte Stimme vom Podium zu vernehmen. Sie gehört Kári Stefánsson, und er ist offensichtlich in sarkastischer Stimmung. »Sie verkaufen einem gern Tabak, Alkohol und schnelle Autos, von denen sie wissen, dass sie die Leute umbringen, aber man darf nicht hingehen und sich über sein eigenes Krankheitsrisiko informieren. Ich finde das ein bisschen seltsam.«
    »Arroganter Mist«, zischt mein Nebenmann, sodass die halbe Reihe es hört. Ein paar Leute nicken zustimmend, während Stefánsson mit seiner Tirade fortfährt.
    »Generell ist die Kritik am Direktverkauf an Konsumenten interessant. Wir alle wissen, dass Patienten das Internet nutzen und oft besser informiert sind als ihr Hausarzt. Die Menschen interessieren sich für ihre Gesundheit, und für mich stellt sich die Frage, ob wir nicht eine Verantwortung haben, ihnen Zugang zu dem Wissen über Genetik zu geben, das die Forschung produziert.«
    Stefánsson hat offenbar beschlossen, die erste Consumer Genetics Show dazu zu nutzen, seinen jüngsten Erfolg zu verkünden, nämlich dass seine Forscher einige neue genetische Marker entdeckt haben, die etwas über das Risiko für Vorhofflimmern aussagen. Anscheinend erhöhen Varianten in einem Gen namens ZFHX3 und ihre Lokalisation auf Chromosom 16 signifikant das Risiko für Vorhofflimmern und als Folge davon das Risiko für die häufigste Form von Hirnblutungen. 1 Diese kleinen Einblutungen sind für sich genommen nicht sehr schlimm für den Patienten, zerstören aber allmählich so viel Gewebe, dass Demenz die Folge ist.
    »Von den 0,5 Prozent der Bevölkerung, die das größte Risiko für Hirnblutungen haben, sind beachtliche 75 Prozent des Risikos auf diese Genvarianten zurückzuführen. Zugleich sind sie ein besserer Prädikator als die üblichen Messungen des Cholesterinspiegels. Solches Wissen kann genutzt werden, um Menschen präventiv zu behandeln. Trotzdem bleiben viele Ärzte und Genetiker bei ihrem Widerstand – warum?«
    Ich sitze in der fünften Reihe und bin leicht erschüttert: nicht über das, was ich über den Widerstand der Ärzte gegen Konsumgenetik oder über die Rechtslage in Deutschland höre; beides war zu erwarten. Aber diese Information über ZFHX3 ist mir neu. Stefánssons Team hat die Entdeckung kurz nach meinem Besuch in Island veröffentlicht, gerade zwei Monate vor dieser Veranstaltung. Die Forschung schreitet rasch voran, ganz konkret. Die Konferenzteilnehmer haben allen Grund, atemlos zu sein.
    Nachdem Stefánssons ZFHX3-Marker publiziert wurden, wurden sie auch in mein Genprofil von deCODEme aufgenommen, und ich kann mich auf der Homepage informieren, wie es bei mir aussieht. Genau so wird es in Zukunft sein: Jedes Mal, wenn irgendwo auf der Welt eine Forschergruppe einen neuen Zusammenhang zwischen einem Snip und einem biologischen Merkmal entdeckt, werden ich und alle anderen, die ein Genprofil erstellen ließen, sich einloggen und die Rohdaten aufrufen können, um unseren Status zu prüfen. Eines Tages wird es vielleicht eine automatische Benachrichtigung geben, dass neue Daten zum Depressionsrisiko oder zur Anfälligkeit für Fußpilz vorliegen.
    »Stopp!«
    Ein junger Mann zwei Reihen vor mir reißt mich aus meinen Gedanken. Er hat sich erhoben und fragt, ob Stefánsson wirklich glaube, er und seine Kollegen seien befähigt, den Menschen klarzumachen, dass das Wissen über Risiken

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