Mein wundervolles Genom
automatisch werden mit diesen Technologien Informationen enthüllt, die den Menschen bisher verborgen waren. Und niemand, nicht einmal die Spitzenforscher und Unternehmenschefs bei Churchs Konferenz, hat eine Vorstellung, wie diese Technologien und diese Informationen in den nächsten Jahren verwendet – oder missbraucht – werden. Sie wollen alles in unsere Hände legen und abwarten, wie es dann weitergeht.
Aber gleichzeitig hinkt die Bildung hinsichtlich genetischer Technologien und genetischer Information weit hinterher. Weder der durchschnittliche Rentner noch der durchschnittliche Student weiß einigermaßen genau, was Gene sind, wo man sie findet und was sie tun.
»Bildung, vor allem für junge Menschen, ist eines der wichtigsten Anliegen des Personal Genome Project«, sagt eine forsche Stimme hinter mir. Sie gehört zu einem Jungen in Nadelstreifenanzug. Er sieht aus wie sechzehn, entpuppt sich aber als Anwalt, der sich auf das Gebiet der Bio-Gesetzgebung spezialisiert hat. »Dan Vorhaus. Hier ist meine Karte.«
Ich nehme sie, und er fährt unbeirrt fort. »Mit seiner totalen Offenheit kann das Projekt die politische Klasse und das Bildungssystem dazu bringen, die Herausforderung der Genforschung ernst zu nehmen. Ich bin überzeugt, dass die Wissenschaftler und die Industrie, die auf diesem Gebiet tätig sind, die Verantwortung besitzen, den Menschen zu sagen, was die Genetik leisten kann und was nicht.«
Für Vorhaus, der vor seinem Jurastudium einen Abschluss in Bioethik gemacht hat, dreht sich alles darum, den Schleier des Geheimnisvollen zu zerreißen, der die Gene umgibt. »Der allgemeine Eindruck ist, dass genetische Informationen etwas ganz Außergewöhnliches sind. Dass sie in gewisser Weise qualitativ anders sind als alle anderen Artenpersönlicher Informationen und deshalb anders behandelt werden sollten.«
Denkt er das nicht auch? Schließlich sprechen wir hier von sensiblen Informationen über Veranlagungen zu Krankheiten – solche Informationen können böse auf die betreffende Person zurückfallen. Die Furcht vor Missbrauch genetischer Informationen hat die Politiker in den USA veranlasst, das Gesetz gegen Diskriminierung aufgrund genetischer Informationen (Genetic Information Nondiscrimination Act oder GINA) zu verabschieden. Das Gesetz trat 2009 in Kraft und soll Bürger davor schützen, dass Versicherungsunternehmen oder Arbeitgeber sie aufgrund ihrer Genetik benachteiligen. Es sieht vor, dass niemand nach genetischen Informationen fragen oder solche Informationen gegen die betreffende Person verwenden darf.
»Mit diesem Gesetz stecken sie ganz einfach den Kopf in den Sand«, sagt Vorhaus deutlich gereizt. Dann räuspert er sich und rückt seine Krawatte zurecht. »GINA ist, denke ich, nicht der Weg, wie man den Umgang mit genetischen Informationen regeln kann. Das Gesetz verbietet einfach die Verwendung. Wir aber brauchen Regeln, die es ermöglichen, solche Informationen zu verwenden, wenn es zweckmäßig ist.«
Ich weise auf den ersten Rechtsstreit wegen genetischer Diskriminierung hin, der in Connecticut angestrengt wurde. Pamela Fink war so unvorsichtig gewesen, ihrem Arbeitgeber MXenergy zu erzählen, dass sie von BRCA-Mutationen erfahren hatte und sich deshalb präventiv die Brüste amputieren lassen wollte. Nachdem sie jahrelang Beförderungen, hohes Lob vom Management und dicke Bonusschecks zu Weihnachten bekommen hatte, wurde sie auf einmal zurückgestuft und bald danach entlassen. Sechs Wochen nach der Operation begleitete man sie, einen Karton mit ihren persönlichen Sachen in den Händen, aus dem Gebäude.
»Wir wissen über diesen Fall nur durch Fink und ihren Anwalt, der an die Öffentlichkeit gegangen ist«, betont Vorhaus. »Tatsächlich denke ich, dass ihr Arbeitgeber sie nach der bestehenden Rechtslage nicht hätte entlassen dürfen.«
Aber ihm geht es um etwas anderes. Man könne die Sache ja auch umdrehen und fragen, ob es im Interesse eines Beschäftigten sein könnte, vor Antritt eines Jobs bestimmte Gene untersuchen zu lassen. »Zum Beispiel kann es Stoffe am Arbeitsplatz geben, die das Risiko, krank zu werden, erhöhen«, sagt Vorhaus.
Dazu fällt mir ein, dass eine Gruppe von Forschern am Gentofte Hospital in Dänemark sich um ein Patent für einen Gentest bemüht, der ein besonders hohes Risiko für Ekzeme aufdeckt. Die Forscher schlagen vor, alle Kinder mit Neurodermitis zu testen; so wüssten sie, dass sie später keinen Beruf wählen sollten, bei dem
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