Mein wundervolles Genom
sie viel mit Wasser zu tun haben und sich häufig die Hände waschen müssen. Denn sonst dürften sie höchstwahrscheinlich große Probleme mit Hautallergien bekommen.
»Das ist ein hervorragendes Beispiel«, sagt Vorhaus lächelnd. »Oder nehmen Sie die Tatsache, dass für Piloten oder Personen, die schwere Maschinen bedienen, eine starke Disposition zu Epilepsie schlecht wäre. Das alles berücksichtigt GINA nicht. Wir brauchen eine Form der Zusammenarbeit von Staat, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die die Weitergabe von genetischen Informationen fördert und zugleich sicherstellt, dass sie nicht missbraucht werden.«
Vorhaus ist ein Genom-Idealist durch und durch und wird sein Genom veröffentlichen. Aber wie würde er reagieren, wenn eine angesehene Kanzlei ihn als Bewerber für einen Job ablehnen sollte, weil er, um ein Beispiel zu nennen, ein hohes Risiko für Alzheimer hätte? Eine Krankheit, die ihn in ferner Zukunft treffen könnte – nur könnte?
»Hm. Ja. Wenn es um einen wichtigen Teil ihres Geschäfts ginge …« Seine Stimme wird leiser, dann macht er einen neuen Anlauf. »Aus Gründen des Prinzips können Sie die Auffassung vertreten, niemand dürfe für seine genetische Veranlagung bestraft werden. Aber vielleicht sollte sich der Staat darum kümmern, statt die Last privaten Arbeitgebern aufzubürden.«
Der junge Mann äußert sich nicht weiter dazu, was der Staat seiner Meinung nach tun sollte. Doch er könnte recht haben, dass man realeFälle braucht und darüber diskutieren muss, damit die Gesetzgeber das Problem informierter und differenzierter angehen. Wir Vorhaus sagt: »Uns fehlt die Erfahrung, wie solche Informationen positiv wie negativ verwendet werden können.«
Ich kann mir auf Anhieb eine Menge Negatives vorstellen auf dem seltsamen Feld der sogenannten »DNA-Spuren«. Wir alle hinterlassen DNA auf Kaffeetassen, Weingläsern, Zigarettenkippen und Zahnbürsten, und es ist nicht illegal, dass andere diese DNA an sich nehmen, sequenzieren, auf ausgewählte SNPs testen lassen und die Ergebnisse öffentlich machen. Bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2008 gab es viele Gerüchte, Obamas Leute würde alles einsammeln, sodass niemand die DNA des Kandidaten stehlen und womöglich etwas Kompromittierendes darin finden könnte. Zur selben Zeit warnten der Bioethiker George Annas und der Genetiker Robert Green vor einer Zukunft, in der »genetischer McCarthyismus« herrschen würde: Kandidaten bewerfen sich gegenseitig mit unvorteilhaften DNA-Informationen, und in der Praxis ist es unumgänglich, Informationen über bestimmte Genvarianten zu veröffentlichen, bevor jemand auch nur für ein politisches Amt in Erwägung gezogen wird. 15
»Eigentlich bin ich überrascht, dass noch kein fanatischer Einzelner oder ein Boulevardblatt einen solchen Coup gelandet hat.« Vorhaus wirkt tatsächlich ratlos. »Aber irgendwann wird es passieren, und dann wird es wahrscheinlich einen Prominenten betreffen.«
Ich denke laut, jemand könnte Brad Pitt und seiner Kinderschar folgen und herausfinden, dass die vermeintlich eigenen gar nicht von ihm sind. Man könnte sich auch den einen oder anderen Royal in dieser Situation vorstellen.
»So etwas würde natürlich entsprechende Gesetze zur Folge haben. Ehrlich, es ist schwierig, zu argumentieren, man sei allein selbst für die DNA-Spuren verantwortlich, die man unvermeidlich hinterlässt, und jeder habe das Recht, sie einfach an sich zu nehmen.«
Hinter diesen pikanten Beispielen steht die grundsätzliche Frage, ob es ein Recht auf »genetische Privatsphäre« gibt. Im Lauf der Zeithaben wir Debatten über alle Arten von Informationen erlebt, aber die Frage, was es bedeutet, wenn genetische Informationen im öffentlichen Raum herumschwirren, haben wir noch nicht durchdacht und noch nicht beantwortet. Welches Recht – wenn überhaupt – sollten wir als Individuen haben: das Recht, genetische Informationen geheim zu halten, oder das Recht, dass genetische Informationen nicht missbraucht werden?
»Das ist eine interessante Debatte«, meint Vorhaus mit einem Funkeln in den Augen. »Ich schätze, all das wird zur Sprache kommen, wenn noch viel mehr Genome veröffentlicht sind und das Thema drängender ist.«
Genauso interessant ist die Frage, wie unser Verhältnis zu genetischen Informationen jenseits der technischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Debatten sein wird. Wir werden unsere eigenen Forschungsprojekte zusammenbasteln können, und wir
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