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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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werden in der Lage sein, das tiefste Innere unserer Biologie vor allen Nutzern des Cyberspace auszubreiten. Es könnte der Tod der alten Vorstellung sein, dass DNA etwas ganz Besonderes ist. Vielleicht werden die Menschen sogar von einer sozialwissenschaftlichen Transformation sprechen, dem großen Sprung zu einem neuen Paradigma, bei dem wir unsere genetischen Informationen oder konkret die Zellen, die unserem Körper entnommen werden, nicht mehr als etwas von uns betrachten. Wir könnten sie vielmehr als Instrumente ansehen, die wir benutzen und anderen zugänglich machen können.
    Diese Art zu denken steht in scharfem Kontrast zur gegenwärtigen Sicht, die in all den Geschichten über DNA-Piraterie zum Ausdruck kommt. Tatsächlich wird zur selben Zeit, während Vorhaus und ich dastehen und Zukunftsvisionen erörtern, ein Fall heiß in den Medien diskutiert. Es geht um eine Gruppe amerikanischer Ureinwohner in Arizona, den Havasupai-Stamm. Der Stamm hat eine ordentliche Entschädigung erhalten, weil Wissenschaftler DNA-Material von Stammesangehörigen ohne deren klare Einwilligung zu Forschungszwecken verwendet hatten.
    Im Jahr 1990 gaben eine Reihe von Havasupai freiwillig DNA-Proben an Wissenschaftler der Arizona State University, die nach möglichen genetischen Ursachen für das überdurchschnittlich hohe Diabetes-Risiko bei Stammesangehörigen forschten. Die Wissenschaftler fanden keine Diabetes-Gene, aber das DNA-Material wurde später für andere Projekte verwendet. Über ein Dutzend wissenschaftliche Artikel zu Themen, die von den genetischen Ursachen von Schizophrenie bis zur Abstammung der amerikanischen Ureinwohner reichen, wurden anhand des Materials veröffentlicht. Weitere Studien, die viele Jahre später erschienen, erzürnten die Havasupai besonders: Genanalysen zeigten, dass dieser Stamm wie viele andere ursprünglich aus Mittelasien eingewandert ist. Das war ein Affront gegen die Schöpfungsmythen der Havasupai, nach denen sie von dem Ort am Fuß des Grand Canyon stammen, an dem sie noch heute leben. Die Gendaten erschütterten nicht nur ihre spirituelle Identität; die Havasupai sind auch von dem Geld abhängig, das die Besucher des Canyons für Souvenirs ausgeben, die mit ihrem Abstammungsmythos zu tun haben.
    In Zeitungen und Blogs waren die Sympathien ganz auf der Seite der Havasupai. In Großbuchstaben wurde geschrieben, dass Forscher niemals eine DNA-Sequenz anrühren dürfen, wenn der Spender nicht über jeden geplanten Forschungsschritt informiert wurde und seine Zustimmung dazu gegeben hat. Doch einmal abgesehen von der Tatsache, dass das vom wissenschaftlichen Standpunkt her unzweckmäßig ist, weil eine Studie vielleicht eine Frage stellt und eine Antwort auf eine ganz andere Frage findet – ist es eine vernünftige Position? Ist die DNA eines Menschen in diesem Sinn sein Eigentum? Könnte man nicht mit dem gleichen Recht argumentieren, die Information in der Doppelhelix gehöre zum allgemeinen Erbe der Menschheit? Und dass kein Einzelner das Recht habe, zu verhindern, dass diese Information anderen hilft?
    »Sie sollten Ihr Genom wie ein Mobiltelefon betrachten«, schaltet sich George Church auf einmal ein. Er hat zwar bereits begehrliche Blicke auf das Büfett geworfen, aber beschlossen, noch etwas zu unserem Gespräch beizutragen. »Stellen Sie sich vor, jeder hätte sich ein Mobiltelefon gekauft und würde nun den ganzen Tag herumspazieren und sich das glänzende Ding anschauen, aber niemals jemand anderem seine Nummer geben aus Angst, unangenehme Anrufe zu erhalten. So funktioniert es nicht, oder? Telefone, Faxgeräte, E-Mail und all diese Dinge sind nützlich, wenn man die Information anderen mitteilt, und das Gleiche gilt auch für genetische Information. Im Idealfall sollte jeder Mensch Teil eines Genomprojekts sein.«
    Bevor der Enthusiasmus die Oberhand gewinnt, erinnere ich daran, dass das Interesse bei »jedermann« da draußen noch ziemlich begrenzt ist. 23andMe, in der öffentlichen Wahrnehmung ein Schwergewicht, hat dreißigtausend Kunden, bei George Churchs Personal Genome Project stehen fünfzehntausend Leute auf der Warteliste, und deCODEme hat nicht einmal zehntausend Kunden vorzuweisen. Mit anderen Worten: Vom Markt für Mobiltelefone und E-Mail-Dienste sind wir noch weit entfernt.
    »Ich denke, wir werden den Umschlagspunkt erleben, an dem es auf einmal populär wird und Schule macht«, sagt Church; anscheinend überlegt er, wann es wohl so weit ist. »Alles, was

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