Mein wundervolles Genom
entwickeln, die auf Gendaten ausgerichtet sind und langfristig die speziellen Interessen der Menschen befriedigen sollen – ein bisschen wie die Apps für das iPhone. Tatsächlich wird das erste ein raffiniertes kleines Programm sein, das es ermöglicht, die eigene DNAauf dem Handy zu erkunden. Damit können Sie sich mit Ihrer DNA beschäftigen, wenn Ihnen langweilig ist oder wenn Sie beim Arzt sitzen, der Ihnen gerade ein Medikament verschreiben will, und Sie nicht wissen, ob Sie es vertragen.
»Oder wie wäre es, wenn Sie in einer Bar sitzen und Frauen beobachten. Dann können Sie gleich die wesentlichen biologischen Daten austauschen, bevor Sie einen Schritt weiter gehen«, schlägt Krulwich sarkastisch vor. Er wird gleich wieder ernst. »Das klingt alles so leicht, aber ist es nicht schrecklich gefährlich, solche zutiefst persönlichen Informationen öffentlich auszubreiten?«
»Es ist seltsam«, flüstert mein Nebenmann, der laut Namensschild Kirk Maxey heißt. »Die Menschen denken immer, dass genetische Informationen besonders gefährlich seien. Niemand macht sich Gedanken darüber, dass zum Beispiel Informationen über unsere Kreditwürdigkeit im Netz herumschwirren. Niemand hat um die Erlaubnis gebeten, solche Informationen zu sammeln, sie werden ohne mein Wissen und ohne meine Zustimmung an denjenigen verkauft, der am meisten dafür bietet. Informationen, wem ich Geld schulde, bis dahin, ob ich meine Stromrechnung pünktlich bezahle, lauter solche Sachen. Sind das denn nicht viel brisantere persönliche Informationen als irgendwelche Gensequenzen?«
Seine Frage bleibt unbeantwortet, während auf dem Podium weiter diskutiert wird. Aber in der Kaffeepause erkundige ich mich bei Maxey, wer er ist, und wie sich herausstellt, ist seine Geschichte faszinierend. Er ist Chef von Cayman Chemical, verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner Jugend war er ein armer Medizinstudent und hat Samen gespendet. Es sei ihm dabei nicht um das Geld gegangen, betont er, sondern er habe »kinderlosen Paaren helfen« wollen. Und das hat er zweifellos. Die Fruchtbarkeitsklinik an der University of Michigan sagte, die meisten der tausend Spenden, die er in mehr als vierzehn Jahren geleistet hat, würden für Forschungen zur künstlichen Befruchtung verwendet; später erfuhr er, dass er mutmaßlich der biologische Vater von vierhundert Kindern ist, von denen ein Großteil in derselben Region lebt wie er. Das kam 2006 heraus, als zwei seiner Kinder ihn auf verschlungenen Pfaden aufspürten und kontaktierten. Maxey setzte sich danach für eine Reform der gesamten Samenspende-Branche ein.
»Samenspender sollten einem Gentest unterzogen werden«, sagt er ein bisschen zu laut. »Da wir die Technologie besitzen, ist es unverantwortlich, nicht sicherzustellen, dass sie nicht alle möglichen genetischen Defekte verbreiten.«
Maxey hat den kühnen Schritt getan und wurde einer von George Churchs zehn Pionieren; sein Genom und seine medizinischen Daten können von allen seinen Nachkommen eingesehen werden, die sich dafür interessieren. »Wir müssen uns daran gewöhnen, dass im Zeitalter von Internet und Gendatenbanken Samenspender nicht mehr anonym bleiben können. Es ist einfach unsinnig, jemandem den Zugang zu seinem halben genetischen Erbe zu verwehren.«
Oben auf dem Podium hat Krulwich ein weiteres Opfer ins Visier genommen. Diesmal ist es John West, ein amerikanischer Großunternehmer, der für zweihunderttausend Dollar sich, seine Frau und ihre beiden halbwüchsigen Kinder von der Firma Knome hat sequenzieren lassen. Die Wests machten Schlagzeilen als die erste Familie, die aus nichtmedizinischen Gründen ihr Genom sequenzieren ließ. Krulwich wiederholt sein Argument, dass es doch schrecklich sei, Kindern solche Informationen mitzugeben. »Ist es nicht eine furchtbare Belastung für sie? Wenn sie schon so früh das Wissen um Krankheitsrisiken mit sich herumtragen?«
West wischt das Argument beiseite. »In ein paar Jahren wird es als unethisch gelten, wenn man seine Kinder nicht sequenzieren lässt. Und nur sehr arme Eltern werden nicht das bisschen Geld für ihre Kinder aufwenden, um etwas über ihre Gesundheit erfahren.«
Auf den billigen Plätzen bei den Leuten von der Presse gibt es Gemurmel, wie man denn fünfzigtausend Dollar pro Genom aufbringen soll. Zwar ist damit zu rechnen, dass der Preis in den nächsten Jahren fallen wird, trotzdem fragt ein Zuhörer, ob es Pläne gebe, den Menschenund ihren Kindern den
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