Mein zauberhafter Ritter
blickte auf die Erscheinung am unteren Ende der Treppe und spürte, wie ihr die Kinnlade herunterfiel.
Ihre Schwester sah umwerfend aus wie immer. Sie gab sich wie eine feenhafte Königin, die gnädigerweise normalen Sterblichen einen Blick auf ihre herrliche Gestalt gönnte. Aber es war nicht Cindis überwältigend schönes Gesicht, die Tatsache, dass sie beinahe nüchtern wirkte, oder ihre beneidenswerte Figur, die Pippa den Atem verschlug.
Cindi trug ein Kleid, das Pippa nicht genäht hatte.
Es war weiß, hatte ein enges Mieder und einen wogenden Rock, der, soweit Pippa es aus der Entfernung beurteilen konnte, aus einer unfassbaren Menge von extrem teurem Taft bestand. Von den Ärmeln hingen Spitzenbänder, die bis zur Taille reichten und sich nach oben hin an den Nähten entlang bis zu dem fein geschnittenen Halsausschnitt schlängelten. Die Swarovski-Kristalle, die an allen möglichen Stellen angebracht waren, mussten ein Vermögen wert sein. Dazu trug Cindi ein Paar Feenflügel, die noch breiter waren als ihr Kleid. Pippa war sicher, dass sie bei einem kräftigen Windstoß davonfliegen würde — was gar nicht schlecht wäre.
Cindis Haar war zu einem lockeren Knoten aufgesteckt. Im Nacken ringelten sich kunstvoll einige Strähnen, aber nicht an den Seiten ihres Gesichts, damit nur ja kein Härchen die absolute Perfektion störte. Und ganz oben saß eine funkelnde, den Blick blendende Tiara, die aussah wie eine mit Diamanten bestückte Kerze.
Pippa war kurz davor, ihrer Schwester dieses Mal wirklich etwas anzutun.
»Nun ...«, brachte Stephen leise hervor.
Sie konnte sich gut vorstellen, was er sagen würde, wenn es ihm gelungen war, seinen Mund wieder zu schließen und sich zu fangen.
Er sah sie überrascht an. »Haben Sie das genäht?«
»Nein«, erwiderte Pippa knapp.
»Das habe ich mir schon gedacht.« Er runzelte nachdenklich die Stirn. »Es ist wunderschön, ohne Zweifel, aber ich möchte sagen, Ihre Designs sind nicht ganz so ... äh, wie soll ich das ausdrücken?«
»Auffällig?«, schlug Pippa vor.
»Ah ...«
Das war das letzte Wort, das er hervorbrachte, bevor die Schönheitskönigin mit ihrem bauschigen Kleid herbeischwebte und ihrem auserwählten Opfer spielerisch mit ihrem Zauberstab, der mit Kristallen im Wert von Tausenden Dollar verziert war, auf den Arm schlug. Pippa fühlte sich versucht, Cindi zu folgen und alle Steine aufzusammeln, die sie beim Gehen verlor. So könnte sie wenigstens noch schnell ein wenig Geld machen. Ein Blick auf Stephen de Piagets Gesicht verriet ihr, dass sie wohl keine Gelegenheit mehr bekommen würde, ein Gespräch mit ihm zu führen, bevor die Uhr zwölf schlug und sie sich wieder in Aschenputtel verwandeln würde.
Sie beobachtete verdrießlich, wie Cindi mit Stephen flirtete. Tatsächlich schaute sie Cindi so lange zu, bis sie widerwillig anfing, die Technik ihrer Schwester zu bewundern. Cindi gelang es mit bemerkenswerter Leichtigkeit, Lord Stephen zu fesseln und gleichzeitig die kleinen Mädchen zu bezaubern.
Von Zeit zu Zeit entschuldigte sie sich, verschwand in Tess’ Büro und tauchte mit neuer Energie für ihre beiden Vorha-ben wieder auf. Pippa folgte ihr einmal aus einer Art morbider Neugierde heraus und sah, dass ihre Schwester eine kleine Blechdose in Form eines Bären aus einer Rocktasche zog, etwas herausnahm und sich in den Mund steckte. Die Dose sah verdächtig nach dem Behälter aus, den ihre Mutter Anfang der Woche in der Hand gehabt hatte und der, wie Peaches vermutete, Brownies enthalten hatte.
Und sie wussten alle, womit ihre Mutter diese Brownies beim Backen versetzte.
»Sie ist high.«
Pippa sah zu Tess hinüber, die plötzlich aufgetaucht war und missbilligend die Stirn runzelte.
»Nein«, entgegnete Pippa. »Das liegt sicher am Jetlag.«
»Machst du Witze?« Tess deutete auf Cindi, die mit scheinbar grenzenloser Energie wieder in den Salon zurückgeflitzt war. »Meine Güte, sie kichert.«
»Vielleicht hat sie zu viel Aspirin geschluckt.«
»Sie wird gleich im Burggraben landen, wenn sie sich nicht zusammenreißt«, verkündete Tess wütend. »Verdammt, ich lasse mir das nicht von ihr ruinieren. Ich möchte nicht vor Stephen de Piaget wie eine Versagerin dastehen.« Sie schaute sich kurz um und griff dann nach Pippas Arm. »Komm, wir werfen einen Blick auf ihre Sachen.«
Pippa hatte nichts dagegen einzuwenden. Vielleicht hatte sie dabei die Gelegenheit, einige andere Kleidungsstücke zu finden und zu konfiszieren, bevor
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