Mein zauberhafter Ritter
Cindi darin vor Mr »Dicke Brieftasche« herumstolzieren konnte.
Sie folgte Tess die Treppe hinauf und den Gang entlang -und stieß dann überrascht einen hohen Schrei aus.
Vor Cindis Tür stand ein rothaariger, schuldbewusst wirkender Schotte mit Kilt und Breitschwert. Pippa packte ihre Schwester am Rückenteil ihres Kleids und begriff erst, dass sie sie beinahe zu Fall gebracht hätte, als Tess sich lautstark beschwerte.
»Was?« Tess drehte sich um und sah ihre Schwester verärgert an.
Pippa deutete über Tess’ Schulter. »Dort.«
Tess ließ den Blick über den Gang schweifen. »Ich sehe nichts.«
Pippa blieb der Mund offen stehen. Jetzt sah sie auch nichts mehr, obwohl sie hundertprozentig sicher war, dass da noch vor zehn Sekunden ein Mann mit knubbeligen Knien und mit in seinen Socken steckenden Dolchen gestanden hatte.
»Jetlag«, brachte sie mühsam hervor. Sie war offensichtlich verwirrt — hoffentlich verlor sie nicht ihren Verstand. Sie drehte sich zu ihrer Schwester um. »Ich brauche ein wenig Schlaf.«
Tess griff nach ihrem Arm. »Später. Jetzt müssen wir Nachforschungen anstellen.«
Pippa ließ sich ohne zu murren von Tess den Gang entlangziehen. Schon bald waren sie in Cindis Zimmer, und es dauerte nicht lange, bis Tess ein Fläschchen aus einem duftigen Berg aus Tüll zog. Pippa ließ sich auf einen mit etlichen Miedern übersäten Stuhl sinken.
»Schmerzmittel?«, fragte sie.
»Valium«, stellte Tess richtig. »Das ist Moms Vorrat.«
»Woher weißt du das?«
»Weil auf der Flasche Moms Vorrat steht«, erwiderte Tess. Sie setzte sich auf ein Abendkleid, das ein kleines Vermögen gekostet haben musste - oder das Geschenk eines Designers war. »Vielleicht hat sie gedacht, das seien Aspirintabletten.«
»Wahrscheinlich«, stimmte Pippa ihr zu. »Und sie kann sicher nichts dafür, dass nun ein Dutzend sechsjähriger Mädchen für ihr Leben gezeichnet sind, weil die Feenkönigin sich in ihrem durch Medikamente verursachten albernen Zustand einem Kerl in einer Tunika und Strumpfhosen an den Hals wirft.«
»Ich wünschte, ich könnte darüber lachen«, seufzte Tess. »Aber mich bringt das in Schwierigkeiten. Nun, zumindest sind die Pillen aufgebraucht, und morgen wird sie wieder bei klarem Verstand sein.« Sie warf das Fläschchen zurück auf den Kleiderhaufen und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. »Was kann denn noch schieflaufen?«
»Frag nicht danach«, warnte Pippa. »Glaub mir, du willst das Schicksal nicht herausfordern, dir darauf eine Antwort zu geben.«
Tess erhob sich mühsam. »Lass uns zur Party zurückgehen. Ich fürchte, wir werden heute Abend alles geben müssen, um uns unser Honorar zu verdienen.«
Erst nach einer weiteren halben Stunde begriff Pippa, dass Tess damit noch untertrieben hatte. Kein Geld der Welt war es wert, was sie tun mussten, um Cindi zu decken. Die Mädchen wollten sie ständig anfassen, aber Cindi war nur darauf aus, Lord Stephen zu betatschen. Pippa sprang für sie ein, als ihr schmerzlich klar wurde, dass ihre Schwester den letzten Rest ihres gesunden Menschenverstands zusammen mit ihren Schuhen, die irgendwie in der Bowleschüssel gelandet waren, von sich geworfen hatte.
Als sie ihre Feenflügel zum dreißigsten Mal gerade gebogen hatte — diesen Fehler im Design würde sie später überprüfen müssen -, hatte sie die Nase voll von dieser Party. Für sie war es kein bezaubernder Abend gewesen, aber die Mädchen waren fasziniert von der echten Märchenkönigin Cinderella und ihrem attraktiven Prinzen, dem zukünftigen Earl of Artane.
Für sie war die Veranstaltung sehr anstrengend gewesen. Sie hatte Spiele organisiert, das Offnen der Geschenke überwacht, Kuchen serviert und Modeschmuck verteilt, den Tess für jeden ihrer Gäste vorbereitet hatte. Sie war enorm erleichtert, als Cindi in die Hände klatschte und die Mädchen um sich scharte.
»Eure Eltern warten auf der anderen Seite der Brücke auf euch«, sagte Cindi fröhlich und hakte sich bei Lord Stephen unter. »Wir gehen jetzt gemeinsam zu ihnen. Wo ist denn ... ?«
Pippa beobachtete, wie Stephen sich rasch duckte, um nicht von den riesigen Flügeln getroffen zu werden. Glücklicherweise hatte sie damit nichts zu tun. Sie bewunderte seine Reflexe, obwohl ihr das nicht leichtfiel. Immerhin war er offensichtlich nicht fähig, Cindis Charme zu widerstehen, und das fand sie
abstoßend. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Cindi mit ihr
sprach.
»Was?«, fragte sie und riss sich
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