Mein zauberhafter Ritter
gewachsen.
»Demoiselles, sagte eine Stimme hinter ihr vorsichtig.
Sie kannte diese Stimme, und sie wollte nichts weiter von ihr hören. Außerdem war sie so sehr damit beschäftigt, nicht zu hyperventilieren, dass sie ohnehin nicht zuhören konnte. Sie flippte normalerweise nicht aus. Nie. Schauspieler, an deren Kostümen Nähte platzten oder Reißverschlüsse klemmten, brachten sie nicht aus der Fassung. Sie war nicht zu erschüttern, wenn Models kreischten, weil ihre Säume nicht gerade waren oder sie nicht in zu knappe Badeanzüge passten. Normalerweise saß sie auf einer Insel der Gelassenheit, wenn um sie herum das Meer tosende Wellen schlug.
Aber jetzt hatte sie das Gefühl, jeden Moment durchzudrehen.
Sie gab sich einen Ruck, lief wieder los und entkam nur knapp der Hand, die sich nach ihr ausstreckte. Sie hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging, und sie verspürte kein Bedürfnis danach, es herauszufinden. Sie wollte nur weg von hier, je schneller, umso besser.
Sie rannte durch die Menge, die sich neben der Tür versammelt hatte. Die Leute schienen sie aufhalten zu wollen, aber plötzlich wichen alle zurück, als hätten sie den Befehl dazu erhalten. Pippa warf einen Blick über die Schulter und sah, warum.
Die Titelblattschönheit des Monatsmagazins Mittelalter hatte sein Schwert gezogen.
Sie hätte jetzt einen wenig damenhaften Kraftausdruck murmeln können. Oder sie hätte kreischen können. Aber sie wusste nicht, was besser war, und es war ihr auch gleichgültig. Sie schob einen Teenager aus dem Weg und rannte zur Tür hinaus. Mit gesenktem Kopf schlurfte sie durch eine etwa fünfzehn Zentimeter hohe Schicht aus Unrat, die plötzlich den Innenhof bedeckte. Sie verlor ihre Schuhe auf dem Weg zum Tor, aber sie blieb nicht stehen, um sie aus dem Dreck zu ziehen. Sie lief unter den drei Fallgittern hindurch und über eine Zugbrücke, die robuster war, als sie erwartet hatte. Immer weiter, bis sie beinahe den Waldrand erreicht hatte, dann verlangsamte sie ihr Tempo.
Sie blieb stehen.
Vor ihr, wo der Souvenirladen sein sollte, war ... nichts. Nur Wald, der ein gutes Stück weiter vom Schloss entfernt begann, als sie es vom Tag zuvor in Erinnerung hatte. Und zwischen ihr und diesem Wald lag keine grüne saftige Wiese, sondern ein brauner schlammiger Platz, auf dem einige Männer mit Schwertern aufeinander losgingen.
Sie war sich ziemlich sicher, dass sie auf ein Filmset geraten war und dass hier ein sehr realistischer, schonungsloser Film über das wahre Leben im Mittelalter gedreht wurde.
Allerdings waren keine Scheinwerfer oder Kameras zu sehen, keine Wohnwagen für die Stars und keine Zelte für das Catering. Und es war auch kein Requisitenlager oder eine Requisiteurin zu sehen, die Schauspieler anschrie, sie sollten sich nicht schmutzig machen, außer wenn ihre Rolle es erforderte. Nichts von alldem war in der Nähe zu sehen, und es gab auch keinen Regisseur, der sie anschrie, dass sie durchs Bild gelaufen wäre und die Szene vermasselt hätte.
Wo zum Teufel war sie, und was war mit ihrer Welt geschehen?
Sie drehte sich um und starrte auf die Burg hinter sich.
Ihr blieb der Mund offen stehen.
Die Ruine, die in dem großen Saal sichtbar geworden war und an die sie sich vage vom Vorabend erinnerte, stand in voller Größe vor ihr. Die Mauern waren unvollständig, der See war verschwunden, und in fast allem anderen waren große Löcher. Es war beinahe so, als wäre die Burg bombardiert worden, während sie geschlafen hatte. Sie hielt sich nicht für besonders begriffsstutzig oder empfänglich für wilde Fantasien, abgesehen von ihren hochfliegenden Plänen in der Modewelt, aber sie begann zu argwöhnen, dass sie sich nicht mehr in ihrer Welt befand.
Und als wäre das noch nicht schlimm genug, trug sie noch nicht einmal Unterwäsche.
Sie spürte etwas am unteren Teil ihrer Wirbelsäule. Es war kein richtiges Kribbeln, und es war auch keine Hitze, aber irgendwie eine Mischung aus beidem. Sie sah, wie Stephen de Piagets Doppelgänger, der aber doch anders aussah als er, mit besorgter Miene auf sie zukam. Sein Schwert steckte wieder in der Scheide, was sie für ein gutes Zeichen hielt.
Er sagte etwas zu ihr, aber sie konnte ihn nicht verstehen, weil es plötzlich in ihren Ohren zu rauschen begann, als wäre starker Wind aufgekommen. Sternchen tanzten um ihren Kopf und verblassten dann, als sich Dunkelheit über sie senkte.
Sie ließ sich ohne Gegenwehr fallen.
7
Es geschah nicht jeden Tag,
Weitere Kostenlose Bücher