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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
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jedoch. Aus dem Lautsprecher kamen plötzlich wieder Geräusche, eine Art Stöhnen oder Ächzen, dann knackte es wieder, deutlich lauter als bisher. Anschließend Stille. »Hallo?« Blacher wartete kurz, dann klingelte er erneut. Aus dem Nachbarhaus trat eine Frau mit einem Einkaufskorb und musterte ihn streng.
    Als er wieder zum Haus sah, stand in der halb offenen Eingangstür ein hagerer alter Mann, der keinerlei Ähnlichkeit mit dem Bild aufwies, das Blacher von Voss im Kopf hatte. Selbst in seinen späteren Filmen hatte er noch etwas Heldenhaftes gehabt, ein breitschulteriger blonder Haudegen, der in den drittklassig produzierten italienischen Abenteuerfilmen aus den siebziger Jahren immer als Größter, Stärkster herausstach. Doch in der Tür stand ein zerbrechlich aussehender Greis. Blacher hob überrascht die Hand wie zu einem Winken und senkte sie wieder. »Ja?«, rief der Alte und räusperte sich. Seine weißen Haare sahen ungekämmt aus, er trug eine grobe Strickjacke, seine Füße steckten in Filzpantoffeln. »Herr Voss?«, fragte Blacher. Weil der Alte darauf keine Reaktion zeigte, sprach er lauter weiter. »Ich bin Ruben Blacher. Herr Voss?« Der Alte guckte ihn nur an, oder vielleicht sah er auch auf eine Stelle hinter ihm, Blacher vermochte das auf die Entfernung nicht zu erkennen und widerstand dem Impuls, sich umzudrehen, nur mit Mühe. »Ich glaube, wir sind verabredet.« »Voss, ja. Was gibt es?«, rief der Alte, verwirrt oder ungehalten. »Ruben Blacher«, rief Blacher, noch lauter. »Ich komme wegen des Drehbuchs …« Herrmann Voss, der er ja nun zu sein schien, sah nicht aus, als verstünde er. »Ich hab Ihnen neulich mein Drehbuch geschickt …« Kein Ausdruck in den fein geschnittenen, hängenden Gesichtszügen, die früher einmal so anders und berühmt gewesen waren. »Ich bin auf der Filmhochschule … Es geht um meinen Abschlussfilm?« Inzwischen klangen fast alle seine Sätze wie Fragen. »Ich möchte Sie mit der Hauptrolle besetzen? Erinnern Sie sich? Es geht um meinen Abschlussfilm … Für die AFF ? Ich habe Ihnen vor einer Woche das Buch geschickt?«
    Voss stand immer noch regungslos, aber sein Gesichtsausdruck hatte sich aufgehellt, kam es Blacher vor. »Darf ich …?« Blacher schob vorsichtig das Gartentor auf, und ging, nachdem kein Einspruch erfolgte, erst zögernd, dann immer mutiger den kurzen Steinweg entlang zum Haus. Drei Stufen hinauf ging es zur Tür. »Guten Tag, Herr Voss.« Dieser ergriff die ausgestreckte Hand so zögernd, als könne er immer noch nicht ganz ausschließen, dass es sich hier um einen Irrtum handelte. Seine Hand fühlte sich wächsern und kalt an. Blacher nannte nochmals seinen Namen und deutete mit dem Kopf eine kleine Verbeugung an. »Jaja«, sagte Voss und trat einen Schritt zur Seite. Blacher schlüpfte an ihm vorbei in den dunklen Hausflur und wartete, bis Voss die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. »Jajajaja«, sagte Voss und glitt, die Pantoffeln geräuschlos über Sächlos den Dielenboden ziehend, an Blacher vorbei, ohne ihn noch einmal anzusehen. Blacher folgte ihm und bemühte sich, dabei ebenfalls kaum ein Geräusch zu machen.
    Der Eingangsbereich war höhlenhaft dunkel. Gefliester Terracottaboden. Von einer Stehlampe ging ein matter Schein aus. Auf einem Beistelltischchen sah Blacher mehrere Benachrichtigungskarten liegen, die Postboten in den Briefkasten werfen, wenn sie einen nicht angetroffen haben. An den Wänden holzgerahmte japanische Kalligraphien. Eine Treppe führte ins Obergeschoss, in dem es noch dunkler zu sein schien als im Parterre. Mehrere Türen, alle geschlossen. Es roch wie lange nicht gelüftet. Voss deutete auf ein kleines Regal, in dem ordentlich nebeneinandergereiht mehrere Filzpantoffeln standen, dasselbe graue Modell, das er selbst trug. Blacher, froh, an diesem Morgen frische Strümpfe angezogen zu haben, entledigte sich rasch seiner Straßenschuhe und schlüpfte in ein Paar Pantoffeln, das ihm viel zu groß war, doch die anderen Paare sahen nicht kleiner aus. In den Filzschonern fühlte er sich plötzlich all seiner Zuversicht beraubt. Voss, der ihn während des Schuhwechsels nicht aus den Augen gelassen hatte, murmelte etwas, wovon Blacher nur das Wort »Arbeitszimmer« verstand, glitt langsam, aber nicht ohne Grazie durch den Flur und öffnete die gegenüberliegende Tür. Blacher folgte ihm in höflichem Abstand.
    Im Inneren stoppte ein roter Teppich Voss’ Gleitschritt, und er bewegte seine Füße nun in

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