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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
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Tonfall tendierte ins Ungehaltene. »Je genauer, desto besser. Schon Shakespeare wusste das.«
    »Ja? Aber …« Sehr strenger Blick von Voss.
    »Gut, Sie haben bestimmt recht. Also sagen wir, es spielt sicher in Berlin.«
    »Das Wort Beziehung …«
    »Ja«, sagte Blacher schnell, »das ist eben die Herausforderung an den Schauspieler – glaubhaft eine Beziehung darzustellen zu keinem richtigen Gegenüber. Also, der Mann beginnt zum Beispiel, mit den Geräuschen zu sprechen. Er sagt Guten Morgen, wenn er sie morgens hört. Und am Abend Gute Nacht.« Voss unterdrückte ein Gähnen und Blacher sprach schnell weiter. »Billy Wilder hat einmal gesagt, im Film brauche man für Monologe immer jemanden zum Ansprechen, ein Gegenüber. Ich weiß nicht, ob Sie seinen Film über Lindberghs Atlantiküberquerung kennen, ›The Spirit of St. Louis‹?«
    Weder ein Nicken noch ein Kopfschütteln von Voss.
    »Mit James Stewart als Charles Lindbergh? Der Film ist von … Also theoretisch könnten Sie den …« Nun immerhin ein Stirnrunzeln. »Und …« Blacher machte eine kurze Pause. »Jetzt hab ich den Faden verloren.«
    Voss schüttelte langsam den Kopf.
    »Wenn ich etwas ganz Persönliches sagen darf«, sagte Blacher, »ich hoffe, das klingt nicht kitschig, aber ich habe den Film mit Ihnen im Kopf geschrieben. Sie sind meine absolute Traumbesetzung. Es wäre mir nicht nur eine ungeheure Ehre …«
    Zischlaut von Voss.
    Einen Moment sagten beide nichts, dann sprach Blacher weiter. »Es gibt heute nicht mehr so viele Schauspieler Ihres Formats.« Er sagte es vorsichtig, tastend. »Ich wüsste gar nicht, wer sonst … Wenn Sie in meinem Film spielen könnten, das wäre, das wäre, was soll ich sagen, das wäre einfach großartig und fantastisch und bombastisch und das Allerallerbeste, was mir passieren könnte.« Nun hatte er sich wieder gefangen und sprach fast unbefangen. »Ich habe Sie ja leider nie im Theater gesehen, aber ich habe Videos gesehen und natürlich alle Ihre Filme. Herr Voss …«
    Der trank gerade von seinem Kaffee und sah nicht von der Tasse auf.
    »Wenn Sie einem kleinen unbekannten Studenten die Ehre erweisen würden, in seinem Film mitzuspielen … Ich weiß, das könnte etwas ganz Großes werden. Ich will mich nicht selber loben, aber ich weiß, dass die Geschichte gut ist. Da steckt viel drin. Da geht’s um Einsamkeit, um Altwerden, um Hoffnung, das ist eine ganz zärtliche, leise Liebesgeschichte, die sich natürlich nur in der Vorstellung des Mannes abspielt, aber das macht ja nichts, jede Liebe ist schließlich zu einem Großteil Projektion …«
    Voss stellte die Tasse ab und räusperte sich. Es klang drohend.
    Blacher fuhr etwas kleinlauter fort. »Liebe besteht doch oft vor allem daraus, was man im anderen sieht, oder auch was man denkt, dass der andere in einem sieht … Es verlieben sich, liest man doch immer wieder, Frauen in Männer, die im Gefängnis sitzen und die sie noch nie gesehen haben. Oder Stalker …« Sehr, sehr strenger Blick jetzt von Voss. »Na, jedenfalls erzählt mein Film auch eine Liebesgeschichte. Die von einem al…, einem älteren Mann zu einem von ihm imaginierten Gegenüber, von dem er nur Geräusche hört. Aber schon das hilft ihm. Er ist dadurch weniger einsam. Das Ganze ist auch, ich will nicht zu vollmundig klingen, aber es ist schon auch eine Abrech ge eine Anung mit der Anonymität, die in unseren Großstädten heute herrscht. Auch damit, wie mit alten Menschen heute … «
    »Das Ende hat mir nicht gefallen«, unterbrach ihn Voss.
    Blacher, überrascht: »Also haben Sie es doch …«
    »Warum muss der Mann sterben? Eine solch dünne Geschichte braucht ein starkes Ende. Ihre hat kein starkes Ende.«
    »Finden Sie nicht?«
    »Nein.«
    Blacher, nun sehr verunsichert. »Ich finde das Ende ehrlich gesagt gar nicht so schwach«, sagte er leise. »Eines Tages verstummen die Geräusche aus der Nachbarwohnung, und kurze Zeit darauf stirbt der alte Mann. Das ist doch ein starkes Ende. Es ist radikal und konsequent. Und auch stimmig in der inneren Logik?« Beim letzten Satz ging er wieder mit der Stimme hoch.
    Voss räusperte sich.
    Blacher, inzwischen weit vorne auf seiner Stuhlkante sitzend, stützte sich kurz mit dem Arm auf dem Schreibtisch ab, dann nahm er ihn wieder herunter und kratzte sich stattdessen am Hals. »Über den Schluss könnten wir ja noch reden, da könnte man bestimmt, da würden wir sicher – aber könnten Sie sich denn vorstellen, die Rolle zu

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