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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
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normalen Schritten vorwärts. Der Raum wurde von meterhohen Bücherregalen dominiert, es roch nach einer Mischung aus Staub und Marzipan. Große Fenster gingen auf Blautannen, mehr war unter den halb heruntergelassenen Jalousien nicht zu sehen. An den Wänden hingen gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografien, die Herrmann Voss in seinen berühmtesten Theaterrollen zeigten. Blacher trat näher heran.
    »Wann war das?«, fragte er und zeigte auf ein Foto. Voss antwortete nicht. »Ach, und hier …« Blacher ging zum nächsten Foto. »Ist das …?« Er drehte sich nach Voss um, doch der setzte sich gerade auf einen Ledersessel, der hinter dem Schreibtisch stand, und schien ihn nicht zu hören. »Gründgens«, sagte Blacher, »ach, und hier …« Nachdem er das letzte Foto betrachtet hatte, das Voss in Strumpfhosen und offenem Hemd neben einer Frau mit geflochtenen Haaren zeigte, die vielleicht Maria Schell war, kam Blacher der mit dem Kinn gegebenen Aufforderung des Hausherrn nach, sich auf den ihm gegenüberliegenden Stuhl zu setzen, der um einiges tiefer war als der Sessel. Blacher musste an die Szene aus dem »Großen Diktator« denken, was ihn wiederum an das morgendliche Gespräch mit seiner Freundin denken ließ, schnell konzentrierte er sich auf seine direkte Umgebung.
    Auf dem Schreibtisch stand allerlei Nippes, ein Tintenfass aus weißem Porzellan, ein Buddha aus Jade, eine Mondkugel, auf der sämtliche Krater und Gebirgszüge verzeichnet waren und die hätte leuchten können, wäre das Stromkabel nicht ausgesteckt und um ihren Sockel gewickelt gewesen. Ein altes Telefon, noch mit Wählscheibe. Unter einer Blumenvase entdeckte er ein ringgebundenes Buch. Die Blumen, Tulpen, waren welk und hatten die Mehrzahl ihrer Blütenblätter darauf abgeworfen, es konnte, musste aber nicht sein Drehbuch sein.
    »Ich habe es nicht gelesen«, sagte Herrmann Voss, der seinem Blick gefolgt sein musste.
    »Nein?«, sagte Blacher. Es war also sein Drehbuch.
    »Ich habe die ersten Seiten gelesen«, verbesserte Voss sich.
    »Ja?«
    »Ich habe kein Wort verstanden.« Voss lehnte sich nach vorne, Ellbogen aufgestützt, und faltete die Hände wie zum Gebet.
    »Nein?«, sagte Blacher leise. Voss antwortete nicht. Von draußen waren Schritte zu hören, dann klopfte es an der Tür.
    Blacher, der sich bemüht hatte, alles über seinen Wunsch-Hauptdarsteller in Erfahrung zu bringen, hatte über dessen Privatleben wenig gefunden. Es hatte früh eine erste Ehe gegeben, die allerdings noch während der Nazizeit geschieden wurde, der Name der Frau, Esther, deutete einen unschönen Hintergrund an. Eine zweite Frau, während seiner großen Theaterzeit in Hamburg geehelicht, war in den späten achtziger Jahren gestorben, von Kindern war nirgends die Rede gewesen, und so hatte Blacher sich Voss als allein lebenden Witwer vorgestellt. Seine Idee, ihn zu besetzen, war ihm vor diesem Hintergrund als geradezu unendlich rührend erschienen, gab er doch einem einsamen alten Mann wieder Gelegenheit, mit Menschen zusammenzukommen, sich gebraucht, geliebt zu fühlen. Wer also mochte da klopfen? Eine Haushälterin? Ein Zivildienstleistender? Eine Nachbarin, die den Schlüssel hatte und ab und zu nach dem Rechten sah?
    Voss sang sein »Herein«, eine sauber intonierte Quart. Einen Augenblick darauf erschien im Türspalt eine Frau mit asiatischen Gesichtszügen und langen schwarzen Haaren, die sie in der Mitte gescheitelt trug. »Nur herein, nicht so schüchtern«, rief Voss, auf einmal glänzend aufgelegt. Die Frau schob die Tür ganz auf und trat ein. »Ich will nicht stören, bin gleich wieder weg«. Ihr Deutsch war das einer Muttersprachlerin. Blacher schätzte sie auf Anfang dreißig, sein Alter also, genauso gut aber mochte sie jünger oder älter sein, jedoch keineswegs alt. Sie trug ein weites Leinenkleid und ein locker um den Hals geschlungenes Tuch, und war in Strümpfen, in den Händen hielt sie ein voll beladenes Tablett. Blacher beobachtete, wie Voss der Frau dabei zusah, wie sie die Speisen und Getränke gekonnt durchs Zimmer balancierte. Ein zärtlicher Ausdruck legte sich währenddessen über seine Gesichtszüge. Es dauerte, bis sie die zwei Gläser, zwei Tassen, eine Flasche Sprudelwasser, eine silberne Kaffeekanne mit dazu passendem Milchkännchen, Zucker, Süßstoff, Löffel und einen Teller mit Gebäck auf dem Schreibtisch arrangiert hatte, sie tat es so vorsichtig, dass die Blütenblätter sich nicht einmal bewegten. »Danke, mein Engel«, sagte

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