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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
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sein, wie Blacher es sich ausgemalt hatte, er schien sich im Gegenteil beinahe gestört zu fühlen. Und vollkommen gesund schien er auch nicht zu sein. Sein Blick fiel auf die gerahmten Kalligraphien. Was um Himmels willen mochte diese Yoko dazu bewogen haben, sich in Berlin-Steglitz mit einem Hundertjährigen zurückzuziehen? Ob Herrmann Voss in Japan ein großer Name war? Wenn sie überhaupt Japanerin war, korrigierte er sich, da ihr Deutsch klang, als sei sie hier aufgewachsen. Ob Voss wohlhabend war, ihr ein schönes Leben bieten konnte? In Steglitz? Den Kopf voller Fragen durchquerte Blacher den Flur. Aus der Küche, deren Tür nur angelehnt war, war das Klapperwar das Kln von Geschirr zu hören. Blacher lief leise vorbei, die Pantoffeln nun exakt so über den Boden ziehend, wie er es zuvor beim Hausherrn gesehen hatte. Er öffnete eine Tür, hinter der er die Toilette vermutete, wie sich herausstellte zu Recht, und verschwand dahinter.
    Als er wieder hinaus in den Flur trat, war der gelbe Fleck auf seinem Hemd deutlich dunkler als vorher und von einem großflächigen Wasserrand umgeben. Die Tür zur Küche war nun geschlossen. Plötzlich war aus dem Arbeitszimmer ein dumpfes Geräusch zu hören. Es klang, als wäre etwas Schweres zu Boden gefallen.
    Blacher eilte zur Tür, so schnell es die Pantoffeln zuließen. Er fand Voss neben dem Schreibtisch gebückt, die leere Blumenvase in Händen. Die Tulpenstängel lagen auf dem Teppichboden verteilt, auf dem sich ein dunkler Wasserfleck abzeichnete. Blacher eilte zu ihm, doch der Alte verwehrte ihm seine Hand und richtete sich alleine auf, wobei er sich auf der Schreibtischplatte abstützte und zu schnaufen begann. »Ein Missgeschick«, sagte er knapp und stellte die leere Vase zurück auf den Schreibtisch. Er machte keinerlei Anstalten, sich hinzusetzen, also blieb auch Blacher stehen. »Nun denn«, sagte Voss und streckte Blacher, der in diesem Moment keineswegs in Reichweite stand, eine Hand entgegen. »Rufen Sie bitte morgen Vormittag an.« »Heißt das?«, fragte Blacher im Näherkommen. »Jaja«, knurrte Voss. »Dann ist das also…?« Die Hand des Alten fühlte sich jetzt noch wächserner und kälter an als zuvor. »Die Termine koordinieren Sie bitte telefonisch mit meiner Frau«, sagte Voss. Seinem Gesichtsausdruck nach hätte er ihm soeben genauso gut eine Absage erteilen können, doch seine Worte ließen keinen Zweifel zu. Herrmann Voss würde also, sollte ihn, was Gott verhüten möge, kein Herzschlag ereilen, in seinem, Blachers Film mitspielen. Blacher fühlte sich, als hätte er gerade eine Schulnote mitgeteilt bekommen, von der er wusste, dass sie nur ein Irrtum sein konnte.
    »Sie sagen also zu? Ganz sicher?«, fragte er vorsichtig.
    »Ihre Tasche«, sagte Voss.
    »Meine Tasche«, sagte Blacher und lief schnell, bevor der Alte es sich anders überlegen könnte, um den Schreibtisch und nahm seine Tasche vom Stuhl. Auf einmal fühlte er sich in den Pantoffeln eigentlich ganz wohl. »Herr Voss, ich freue mich so. Das ist unglaublich. Herrmann Voss spielt in meinem Film, ich fasse es nicht, das ist einfach großartig.« Es kam noch immer kein Widerspruch. »Und wegen dem Titel überlege ich gerne noch mal!« »Des«, bellte Voss.
    Da Voss keine Anstalten machte, ihn zur Tür zu begleiten, sondern neben seinem Schreibtisch stehen blieb, als wäre er dort angeschraubt, winkte ihm Blacher nur noch einmal zu, was erwartungsgemäß unerwidert blieb.
    Die Tür zur Küche stand jetzt weit offen, sie schien leer zu sein, vorsichtshalber fragte er dennoch: »Frau Voss?« Keine Antwort, er wagte einen Schritt hinein. Auf dem Tisch lag aufgeschlagen eine Berliner Boulevardzeitung, ein Teller mit einem angebissenen Butterbrot daneben. Die Einbauschränke schienen aus den siebziger Jahren zu sein, ihr Weiß längst vergilbt, dasselbe galt für die Kaffeemaschine, deren Rot ausgeblichen war. Der Kühlschrank schien dagegen neu, ein großes, silberfarbenes Modell, an dem mit Magneten ein paar Fotos befestigt waren. Blacher ging näher heran. Auf allen war, wie es aussah, dieselbe Person zu sehen, eine junge Frau mit leicht asiatischen Gesichtszügen und dunklen Locken. Auf einem Foto stand sie neben einem geschmückten Weihnachtsbaum und lachte, ein Geschenkband um die Stirn gewickelt, in die Kamera; andere Aufnahmen zen mAufnahmigten sie in Yogaposen. Eine dicke Fliege schlug laut krachend von innen gegen das Fenster, und Blacher hatte es plötzlich eilig, das Haus zu

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