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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Adorján
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Er ließ Angie den Vortritt in den kurzen Gang, der zum Saal führte. An den Wänden hingen mit Autogrammen versehene Fotos von Menschen, die offenbar schon mal hier gewesen waren. Einige kannte Angie aus Fernsehserien, die sie als Kind gesehen hatte, die meisten sagten ihr nichts. Die Saaltür ließ sich schwer öffnen, und sie überließ diese Aufgabe gerne Herrn Bartholomé. Innen war es dunkel. Menschen standen dicht an dicht, noch war die Bühne leer, ein aufgeregtes Murmeln lag in der Luft. Angie bahnte sich einen Weg durch die Menge, die in der Überzahl aus Männern bestand. Herr Bartholomé folgte ihr. An der gegenüberliegenden Wand, vor der es nicht ganz so eng war, blieb sie stehen. Kopfschüttelnd stellte Herr Bartholomé sich neben sie. »Sogar von der Onlineredaktion ist jemand hier.«
    Auf einmal riss ein pfeifendes Rückkoppelungsgeräusch die Leute aus ihren Gesprächen. Es dauerte einen Augenblick, bis der Lichtkegel des Scheinwerfers den Mann im Smoking gefunden hatte, der, ein Mikrophon in der Hand, auf die Bühne getreten war. »Ich freue mich sehr, dass Sie …«, sagte er, begleitet von einem erneuten Rückkoppelungsgeräusch. Er hielt sich eine Hand über die Augen und machte eine Abwärtsgeste mit der Hand, das Pfeifen verstummte. »Ich freue mich sehr, dass Sie heute Abend so zahlreich erschienen sind. Ich habe die außerordentliche Ehre, Ihnen den Star des heutigen Abends anzusagen, den ich wohl niemandem mehr vorstellen muss. Ihre Karriere ist auf einzigartige Weise mit Berlin verknüpft, ich sage nur ›Life is a Cabaret, ol’ chump‹« Die letzten beiden Worte sprach er mit tieferer Stimme. »Meine Damen und Herren, put down the knitting, the book and the broom …« An dieser Stelle gab es vereinzelte Klatscher. »Bitte begrüßen Sie die einzigartige, die unvergleichliche, the one and only: Liza Minnelli!«
    Er streckte seinen Arm zur linken Bühnenseite hin aus, von wo in diesem Augenblick unter riesigem Applaus eine kleine, schwarz glitzernde Gestalt das Podium betrat, einen Zylinder auf dem Kopf. Sie bewegte sich seltsam ruckartig vorwärts, schien möglicherweise ein Bein nachzuziehen, genau konnte Angie das nicht erkennen, da einige größere Männer direkt vor ihr standen, die nun auch noch die Arme hoben, um Liza Minnelli, die es ja wohl war, mit ihren Telefonen zu fotografieren. Das erinnerte Angie an etwas, und sie nahm ihr Handy aus ihrer Tasche und klickte sich zu den Kurznachrichten. Den Text hatte sie am Nachmittag bereits vorformuliert: »Bin doch zum Konzert, trotz schlimmer Bauchschmerzen, aber soll plötzlich was schreiben drüber. Sorry, dass ich nicht angerufen hab, war total spontan. Verpasst aber nichts. Total langweilig. Bis morgen, denk an dich, A.« Sie drückte auf Senden. Dann schaltete sie ihr Telefon aus und steckte es in die Tasche zurück, der sie einen Notizblock und einen Stift entnahm.
    In diesem Moment setzte Musik ein, die vom Band kommen musste,e bmmen mu denn es war weit und breit keine Band zu sehen. Es waren die ersten Takte von »Life is a Cabaret«, in enormer Lautstärke, und auf der Bühne begann der Hut im Rhythmus hin und her zu wackeln. Mehr sah Angie nicht. Nachdem sie sich »Cabaret« auf ihrem Block notiert hatte, versuchte sie, sich auf die Zehenspitzen zu stellen, was in ihren Schuhen jedoch unmöglich war. Immerhin gelang ihr ein flüchtiger Blick auf das Gesicht unterhalb des Zylinders. »Sieht aus wie aus Holz geschnitzt. Falsche Wimpern, pinke Rougebalken, komische …«, notierte sie. Sie wurde davon unterbrochen, dass Herr Bartholomé ihr etwas zurief, doch außer ihres Nachnamens konnte sie nichts verstehen, die Musik war wirklich sehr laut. »Bitte?«, rief sie. Sich eine Hand wie einen Trichter an den Mund haltend, rief er wieder etwas, diesmal glaubte sie immerhin das letzte Wort zu verstehen – »hinten« – und drehte sich um. Hinter ihnen standen noch einmal so viele Menschen wie vor ihnen, alle sahen zur Bühne, ein paar sangen mit, es war nichts Auffälliges zu sehen.
    Fragend sah sie Bartholomé an. »Wo denn?«, rief sie. »Was?« Er drängte sich an einem jungen Mann vorbei, der halb zwischen ihnen stand und kam so dicht vor ihr zu stehen, dass sie die geplatzten Adern in seinem Hemdausschnitt direkt vor ihren Augen hatte. Es sah aus wie ein schlimmer Sonnenbrand. »Was ist hinten?«, fragte sie und sah zu ihm auf. »Was wollen Sie trinken?« »Ach so«, sagte sie. »Gerne ein Wasser. Soda.« Er nickte und begann

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