Meine allererste Scheidung
wird wohl kaum auch nur ansatzweise fair zugehen, dachte sie. Eher wie bei einer schmutzigen Kneipenrauferei, mit zerbrochenem Glas und um sich beißen und einer Menge Haare ausreißen. Das Bild, das sie heraufbeschworen hatte, amüsierte sie. »Ups«, sagte sie laut, schüttelte ihre roten Locken und versuchte, sich wieder zu konzentrieren. Tina sah ihr in die Augen und stieß ein sanftes, schnaubendes Lachen aus.
»Ja«, pflichtete sie ihr bei. »Es sind wirklich grässliche Büros. Wenigstens stinken sie heute Abend nicht!« Caitlin zog die Augenbrauen hoch, neugierig zu erfahren, wie viel schlimmer sie normalerweise riechen mussten.
Trotz ihrer Erschöpfung, ihres Zynismus und der offenkundigen Ausstrahlung, dass sie schon seit vielen Jahren jenseits von Gut und Böse war, wirkte die Frau, die sie jetzt durch den Flur führte, nicht gleichgültig oder angekotzt. Caitlin eilte hinter ihr her, um mit ihr Schritt zu halten.
»Mann, bin ich froh, dass wir es hier versuchen, statt direkt in den Gerichtssaal zu gehen«, bemerkte Tina schwer atmend, bevor sie eine Tür öffnete, die zu einem weiteren Flur führte. Er war gesäumt von weißen Plastikstühlen und Türen, durch die man eine Reihe kleiner Räume sehen konnte. Caitlin fragte sich langsam, was für ein Kaninchenbau dieses Gebäude eigentlich war. Sie sah Tina an und überlegte, ob sie wusste, wo sie hinging. Sie hatte tiefe Ringe unter den Augen und schien über eine zähe Energie zu verfügen, die in Caitlin den Eindruck weckte, dass ihre Vermittlerin durch schiere Nervosität angetrieben wurde. Sie war nicht die Art Frau, von der man sich vorstellen konnte, dass sie sich entspannte, dachte Caitlin. Sie hat eine Mission.
Caitlin fragte sich, was bei Gericht geschehen sein mochte, dass sie so erleichtert war, sich nicht mit ihnen dort zu befinden. »Das Gericht ist nicht der Ort, an dem Sie enden wollen«, wiederholte sie und wedelte dabei energisch mit der Hand. »Ganz gleich, wie schwierig es scheint«, sagte sie ein wenig zu laut und beantwortete damit Caitlins Frage, bevor sie sie überhaupt stellen konnte. Sie verkniff sich weitere Fragen und fühlte sich eine Spur weniger verängstigt. Zumindest hatte diese Frau Mumm. Und sie war aufrichtig. Sie würde sie nicht zum Narren halten. Nicht dass sie über besonders empfindliche Detektoren dafür verfügte. Sonst wären Max und Kennedy ja gar nicht erst so weit gekommen.
Einen Moment lang fragte sie sich, wie es Kennedy wohl gehen mochte – sie hatte von Gus und Carol gehört, dass sie – wie viele werdende Mütter – unter Übelkeit litt und blass und übellaunig war. Aber Caitlin fragte sich, wie sie sich fühlte . Es war ein wenig so, als hätte sie ihren Mann an die kleine Schwester verloren, die sie nie gehabt hatte. Sie hatte es immer verdrängt, wenn sie sich fragte, wie ihr Mann und ihre Assistentin sich wohl miteinander benahmen – was sie im Bett taten, wie es war, wenn sie zusammen zum Arzt gingen, ob sie zärtlich beobachtet hatten, wie das Herz ihres Babys auf dem Schirm des Ultraschallgeräts schlug. Sie hatte sich große Mühe gegeben. Aber Max zu sehen bedeutete, Kennedy zu sehen. Sie konnte ihre Gegenwart spüren – drohend, feindselig, leicht alarmiert, weil Max und Caitlin zusammentrafen. »Es besteht kein Grund zur Sorge«, sagte Caitlin laut, während sie einen Moment lang Kennedys Groll spürte. »Er gehört ganz dir«, flüsterte sie.
Max warf ihr einen Blick zu, aber sie bemerkte ihn kaum. Tina ließ sich nicht anmerken, dass ihr etwas Ungewöhnliches aufgefallen war. (Sie hatte schon weit Schlimmeres gehört.)
Sie saßen einen Moment im Flur fest, da sich mehrere der Türen öffneten und eine Handvoll erschöpft aussehender Paare hinausquollen. Grußlos drängelten sie sich aneinander vorbei – offensichtlich war die Kein-Blickkontakt-Regel verstärkt worden, wie Caitlin bemerkte. Dann zuckte sie zusammen – ein höchst attraktiver und irgendwie vertrauter Mensch verließ einen der schäbigen Räume entlang des Flurs. Er zwängte sich mit gesenktem Blick an ihr vorbei; sie drehte sich um, schaute ihn an und ertappte ihn dabei, wie er sie ebenfalls ansah. Dann wandten sie beide den Blick ab; sie wussten, dass sie Teil der Vergangenheit des anderen waren, und wollten einander nicht eingestehen, wo sie jetzt gelandet waren.
Sie hatten sich im Urlaub mit einer großen Gruppe gemeinsamer Freunde kennengelernt, etwa vor zwanzig Jahren und noch bevor sie und Max miteinander
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