Meine allererste Scheidung
nachgegeben, doch bei der PlayStation und Puppen, bei denen man tatsächlich die Windeln wechseln musste, war sie hart geblieben. Jetzt, da die Schleusentore geöffnet worden waren, würde es bald Wii, die verdammte PlayStation und Second-Life-Spiele geben, dachte sie, während sie sich auf die Unterlippe biss und beobachtete, wie Molly ein riesiges Paket aus dem Karton zerrte.
Molly hatte Mühe, das beeindruckende Paket zu öffnen, das erheblich größer war als die anderen Pakete. Sarah war zur Stelle und half Molly, den gigantischen Karton zu öffnen und ein Reptil herauszuholen, das nur geringfügig kleiner als ein T-Rex war. »Wow! Ein Roboraptor!« Molly war entzückt. Sarah legte schnell Batterien ein, und Molly wurde vor Aufregung leuchtend rot im Gesicht. »Hör zu!«, befahl sie, und jedwede Konversation verstummte. Sie legte einen Schalter um, und der Dinosaurier begann mit den Pfoten in der Luft zu wedeln und zu brüllen. »Roah! Roah«
»Mach das aus!«, blaffte Caitlin, bevor sie sich die Hände auf den Mund schlagen konnte.
»Sie kann ihn nicht ausmachen, Mum«, erwiderte Sean, »Es ist ein Dinosaurier.« Der Dinosaurier brüllte und sah sich boshaft um, bevor er sich an Caitlin heranpirschte.
»Molly, wie sollen wir dich jetzt ins Bett bekommen?«, seufzte sie. Aber das war nicht wirklich das Problem. Das Problem war, dass alle schon vollkommen aus dem Häuschen waren und ihre Mutter noch nicht einmal eingetroffen war. Damit konnte sie nicht umgehen. Es liegt nur an meiner Scheidung, dachte sie und wusste, dass das gehässig war. Eine Woge der Scham erfasste sie; schon bald verdrängte sie ihre innere Stimme. Aber wieso musste ihre Mutter zu allen nett sein? Es war ihre Scheidung. Alle anderen schienen zu denken, sie machten lediglich Urlaub von ihrem Vater. Das ist nicht wahr, blaffte ihr Gewissen, und sie zuckte zusammen, wohl wissend, dass sie die weltgrößte Jammerparty für sich selbst feierte und genau das machte, was die meisten Mütter vor Schuldgefühlen in den Wahnsinn trieb – ihren eigenen Kindern grollen.
Sie sah Molly finster an, die mit ihrem grässlichen neuen Spielzeug spielte. Molly, deren Gesicht von überschäumendem Glück strahlte, lebte in heiterer Unwissenheit um die Gefühle ihrer genervten Mutter. Das Ding streckte die Krallen aus und zerriss die Luft. »Roah! Roah!« Es ließ sich nicht leugnen. Gewissen hin, Gewissen her, der schrille Ruf des Dinosauriers und seine drohenden Gebärden spannten ihren letzten Nerv bis zum Zerreißen an. Ich werde Mum umbringen, dachte Caitlin, erregt von der unleugbaren Köstlichkeit hemmungsloser Rebellion. Ich habe diesen verdammten Roboraptor jahrelang vermieden.
»Wie wär’s, wenn wir einfach aus dem Zimmer gehen?«, blaffte Sean, zog Molly weg und warf ihrer Mutter gleichzeitig einen Blick zu. Die Art von Blick, die Töchter Müttern zuwerfen, wenn Mütter ein klein wenig gemein sind. Die Art von Blick, die Caitlins Schuldbewusstsein sofort wieder aktivierte.
»Tut mir leid, Molly«, rief Caitlin den entschwindenden Rücken nach und fühlte sich entsetzlich. »Ich finde nur diesen Lärm so grauenhaft«, beklagte sie sich bei Sarah, die die Achseln zuckte.
»Ich finde diesen Lärm wirklich grässlich«, beteuerte Caitlin und fühlte sich immer schuldiger. »Und warum wiederhole ich mich eigentlich?«
»Niemand macht dir Vorwürfe«, beschwichtigte Sarah sie. »Er ist abscheulich.«
Keine der beiden Frauen sagte, was sie wirklich bewegte. Sarah dachte darüber nach, verwarf das Ganze dann zu gunsten des alterprobten und wahren Favoriten – Ablenkung.
Sie sprang vom Sofa und zwängte sich durch das Durcheinander, bis sie neben der kichernden Cait saß. Sie richtete sich langsam auf und begann über die Schulter ihrer Freundin zu lesen.
»Oooh, das klingt gut«, sagte sie eifrig und überflog einen Kurs zur Reaktivierung durch Delfine an.
»Sarah?«
»Mmmm?«, antwortete sie, abgelenkt von Muschelessenzen.
»Warum schickt meine Mutter mir unheimliche Zeitschriften voller verrückter Leute?«
»Das ist eine rhetorische Frage, stimmt’s?« Sarah grinste. Cait grinste nicht zurück. »Okay, ich gebe es zu. Sie hat so eine Ahnung.«
»Woher?«, verlangte Caitlin scheinheilig zu erfahren. Aber es schwang auch ein klein wenig Ernst mit. Musste Sarah so viel mit ihrer Mutter reden?
»Ich habe es Madeleine gegenüber erwähnt. Ich spreche nämlich regelmäßig mit ihr. Ich habe neulich nur damit aufgehört, bis du sie
Weitere Kostenlose Bücher