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Meine beste Feindin

Titel: Meine beste Feindin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crane Sonja Hagemann
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das war mir immer egal gewesen. Helen und ich hatten zehn Monate lang in demselben Zimmer gewohnt. Wir waren achtzehn und beide zum ersten Mal von zuhause weg. Sie brachte mir bei, wie man Wimperntusche und Eyeliner aufträgt, und ich zeigte ihr, wie man auch aus kläglichen Resten noch Pfannkuchen und Kekse zaubern konnte. In dem Jahr lebten wir den ganzen März nur von Ramen-Nudeln und Mikrowellen-Popcorn. Ich wusste, dass sie manchmal Alpträume hatte und es bedauerte, ihre Jungfräulichkeit an diesen Typen in der Highschool verschwendet zu haben, obwohl sie eigentlich in seinen besten Freund verknallt war. War das alles wirklich geschehen? Wie konnte sie mir nur so etwas Schreckliches antun, wenn sie so ein wichtiger Teil meiner Vergangenheit war?
    Und was mich noch viel wütender machte, wie konnte sie es wagen, so mit mir zu sprechen? Als sei sie eine moralisch überlegene Instanz. Hatte sie denn völlig den Verstand verloren?
    Vor Zorn bebend und erfüllt von diesem merkwürdigen Gefühl, das mir die Tränen in die Augen trieb und das ich nicht zu benennen wagte, stand ich endlich auf und kehrte zur Party zurück. Ich wollte den blöden Martini, und ich wollte Helen umbringen. Wenn auch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.
    Als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, tauchte plötzlich Henry vor mir auf und ließ mich nicht vorbei. Es war offensichtlich nicht mein Tag.
    »Sieh mich nicht so an«, lachte Henry. »Ich hab doch nichts gesagt.«
    »Aber deine nonverbale Kommunikation könnte eloquenter nicht sein«, gab ich zurück.
    »Ich wusste, dass Helen dich heute noch in die Finger kriegen wollte«, verkündete er und blickte mich so durchdringend an, dass ich gezwungen war wegzusehen. Ich konzentrierte mich stattdessen auf die unvermeidlichen Zuckerpüppchen in seinem Schlepptau. Diesmal hatte er zwei davon im Angebot, beide verkleidet als eine Art Kätzchen im Gymnastikanzug. Es war lustig mit anzusehen, wie sie sich unter ihrer voluminösen Föhnfrisur und hinter dem falschen Lächeln gegenseitig anfauchten.
    Dann drangen Henrys Worte endlich bis in mein Hirn vor.
    »Mich in die Finger kriegen?«, fragte ich ungläubig. »Machst du Witze?«
    »Ich wusste, dass sie das vorhatte«, erklärte Henry. »Mir war allerdings nicht klar, dass sie dich entführen und dir abseits des Geschehens eine dramatische Szene liefern wollte.«
    »Denn wenn du davon auch nur die geringste Ahnung gehabt hättest, wärst du vermutlich heldenhaft dazwischengegangen und hättest mich gerettet, oder?« Mein Tonfall war ebenso ungläubig wie sarkastisch. »Weil du ja ein barmherziger Samariter bist, nicht wahr?«
    »Als ich dir das letzte Mal helfen wollte …«
    »Gutes Stichwort, Henry«, schnauzte ich ihn an. »Nach diesem Moment der innigen Vertrautheit mit Helen fehlt mir nur, diesen Alptraum nochmal durchzukauen. Na vielen Dank!«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. Während ich versuchte, nicht völlig hysterisch zu werden, kamen mir seine Augen ganz besonders blau vor. Aber vielleicht lag das auch am Sauerstoffmangel.
    »Wenn du mich jetzt entschuldigst«, stieß ich schließlich hervor und fühlte mich, wenn das überhaupt möglich war, noch unbehaglicher als zuvor. »Ich kratze jetzt den letzten Rest Würde zusammen, der mir noch bleibt, und dann können wir wieder zur Tagesordnung zurückkehren und uns gegenseitig hassen, wie immer.«
    »Ich finde, du bist wirklich etwas seltsam, und ich habe keine Ahnung, was in deinem Kopf so vorgeht«, ließ Henry verlauten, so als habe er tatsächlich darüber nachgedacht. »Aber ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass ich dich hasse . Das ist doch nur eins von diesen Girly-Spielchen, die ihr Frauen so liebt.«
    In diesem Augenblick fielen in Cambridge und draußen in Northampton vermutlich zahlreiche Feministinnen tot um. Ich rollte lediglich mit den Augen, was wahrscheinlich schon an Verrat an meinen Schwestern grenzte.
    »Wie auch immer.« Ich fühlte mich linkisch und unbehaglich, wie jedes Mal, wenn ich in Henrys Nähe war.
    Er sagte nichts, als ich ihn umrundete und verschwand, aber ich spürte seinen Blick noch lange im Nacken.
     
    Als mir Georgia dieses Mal einen Drink anbot, nahm ich an.
    Ich konnte nur hoffen, dass sie Henrys Unterhaltungen mit anderen Frauen nicht mehr minuziös überwachte - ein Reflex, den sie auch lange nach ihrer heftigen Schwärmerei noch beibehielt -, denn ich hatte nicht die Kraft, mit irgendwem darüber zu sprechen, und erst recht nicht

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