Meine beste Feindin
dich.«
»Das hattest du schon erwähnt.« Er grinste. »Also?«
Er wollte mich provozieren.
Deshalb rümpfte ich nur kurz die Nase und betrat dann an seiner Seite den Saal, als hätte ich überhaupt kein Problem mit ihm.
Wir kehrten zur Party zurück wie ein fröhliches Kleeblatt. Zu meiner Linken der Fürst der Finsternis, stets darauf bedacht, dass ich seiner Anwesenheit bewusst war. Die alberne, weinerliche Ashley zu meiner Rechten merkte nichts von Henrys spitzen roten Hörnern oder meiner Unbehaglichkeit. Vor uns wurde das Gedränge an der Bar immer schlimmer, als so ziemlich jeder, den ich in Boston kannte, nach der nächsten Runde verlangte.
Und ich, wie immer ganz auf meiner Linie, war als überdimensionale Blaubeere aufgekreuzt.
Offensichtlich blieb mir nichts anderes übrig, als mich ins Getümmel zu stürzen und mich wild und hemmungslos zu betrinken. Immerhin hatte diese Strategie sonst auch funktioniert. Die Schmach meiner Janis-Joplin-Darbietung mochte mir auf ewig anhängen, aber wenigstens würde ich mich damit trösten können, dass ich den Leuten etwas Neues geboten hatte, worüber sie sich das Maul zerreißen konnten. Vor allem etwas, das nichts mit der ursprünglichen Erniedrigung durch Nates Treuebruch zu tun hatte. Je mehr ich mich selbst lächerlich machen würde, desto eher würde man diese Angelegenheit vergessen.
Es klang beinah vernünftig.
Henry und sein Dummchen ließ ich ohne ein weiteres Wort stehen und hielt direkt auf die Bar zu. Dabei steigerte ich mich so richtig in den Plan hinein, mich bis zur Bewusstlosigkeit volllaufen zu lassen, so dass es mir egal sein würde, wie ich aussah, und ich keinen Ton mehr singen konnte. Ich konnte es kaum noch erwarten.
Leider war ich so auf den Martini fixiert, den ich umgehend bestellen wollte, dass mich mein Selbsterhaltungstrieb völlig verließ.
Es kam wie eine kalte Dusche, als ich bemerkte, dass ich mich in Helens Reichweite manövriert hatte. Sie stutzte und öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
Auf keinen Fall , dachte ich.
Ohne dass mein Gehirn irgendetwas damit zu tun hatte, übernahm mein Körper das Kommando. Ich verschwand in der vorbeirauschenden Gruppe fülliger Matronen, die sich derart scheinheilig gegenseitig Komplimente machten, dass meine Freunde und ich dagegen wie Waisenknaben aussahen. Im Schutze der heimtückischen Damen schlich ich mich erneut aus dem Bankettsaal und stürzte zur Toilette, als sei der Leibhaftige hinter mir her. Denn das war sicheres Terrain. Jedes Mädchen, das einmal bittere Tränen über einen pickligen Teenager vergossen hatte, wusste die intime Abgeschiedenheit des stillen Örtchens zu würdigen.
Ich verschwand hinter der erstbesten Tür, schloss hinter mir ab und ließ mich keuchend auf dem Klodeckel nieder.
Hier würde ich sicher sein. Bestimmt würde Helen es nicht wagen …
Die Tür nach draußen öffnete sich mit einem Quietschen.
Ich hielt die Luft an.
»Gus?« Sie stand direkt vor meiner Tür. Sie klopfte sogar. Einmal. Zweimal. »Gus? Ich weiß, dass du da drin bist. Ich kann deine blauen Schuhe sehen.«
Ich zog ab, in der Hoffnung, das würde Helen abschrecken, aber nein, sie stand immer noch da, als ich die Tür schließlich öffnete. Und mit »da« meine ich direkt vor meiner Nase. Ich konnte nicht mal vorbei.
»Können wir reden?«, fragte Helen und machte tatsächlich noch einen weiteren Schritt auf mich zu. Es war mir so unangenehm, dass ich am liebsten in das Kabuff zurückgewichen wäre, aber das war nun wirklich unter meiner Würde. Also blieb ich, wo ich war, und ertrug ihre Nähe.
»Also …«, murmelte ich.
Mir war völlig schleierhaft, worüber Helen diesmal mit mir sprechen wollte, aber ich konnte wetten, es würde mir nicht gefallen. Es war vermutlich nichts, worüber ich gerne plauderte - wie zum Beispiel, sagen wir mal, wie man einer vermeintlichen Langzeitfreundin den Freund ausspannt.
»Bitte«, flehte Helen und sah mich mit ihren großen Rehaugen an, die Männer um den Verstand brachten und auch auf mich ihre Wirkung nicht verfehlten, wie ich stinkwütend feststellte.
»Hm, na gut«, sagte ich. Was hätte ich sonst tun sollen?
Helen seufzte. Tief. Woraus ich schloss, dass diesmal keine Moralpredigt anstand.
Plötzlich überkam mich erneut das schier unbändige Verlangen, ihr eine zu verpassen, also sah ich schnell woanders hin - zu dem riesigen Blaubeerspiegelbild hinter ihr. Was auch nicht viel besser war.
Ich konzentrierte mich wieder auf
Weitere Kostenlose Bücher