Meine beste Feindin
ignorierte ihren Lachanfall.
»Vielmehr meiner Stalkerin aus dem Weg gehen«, erklärte ich kühl.
»Darüber müssen wir uns auch noch unterhalten.«
»Rühr du erstmal die Werbetrommel«, sagte ich, und scheuchte sie erneut davon, diesmal mit Erfolg.
Bis jetzt war es mir ganz gut gelungen, sowohl Nate als auch Helen, die ich hinten im Saal erkennen konnte, aus dem Weg zu gehen. (Rein zufällig trug Helen kein Kleid, das sie wie eine Riesenblaubeere aussehen ließ. Sie hatte sich vielmehr für ein weitaus schmeichelhafteres Modell in einem silbrigen Farbton entschieden.) Als Nate mich entdeckte, leuchteten seine Augen auf, als hätte er mir niemals das Herz bei lebendigem Leib aus der Brust gerissen. Woraus ich schloss, dass er keine Ahnung von den acht nächtlichen Nachrichten seiner Freundin hatte (ja, acht - die beiden anderen Male hatte jemand direkt wieder aufgelegt. Den Rest kann man sich wohl denken). Und auch nicht von den etlichen anderen Anrufen im Laufe der letzten beiden Wochen.
Aufgrund der Nachrichten auf Anrufbeantworter und Mailbox hatte ich mir Folgendes zusammengereimt: Helen wollte wirklich mit mir reden. Sie wollte es so unbedingt, dass ihr die Fatal-Attraction -Aura, die sie inzwischen umgab, egal war. Ich kannte Helen gut genug, um zu wissen, dass ihr egozentrisches Selbst normalerweise keine Notwendigkeit darin sah, mit anderen zu sprechen. Und schon gar nicht darin, unbedingt mit jemandem reden zu müssen , wie sie mir immer wieder auf Band gesprochen hatte. Sie konnte stundenlang einfach nur dasitzen, irgendwie ins Leere starren und nichts tun. Sie las nicht. Sie träumte nicht in den Tag. Sie dachte auch über nichts nach. Sie saß einfach nur da. Mich machte es wahnsinnig, wenn ich von meinem Buch aufblickte und sie vor sich hin vegetieren sah wie eine Art Roboter, den man ausgeschaltet und auf das Bett gegenüber gesetzt hatte.
Sie war definitiv kein Typ, der ein Gespräch sucht. Was bedeutete, dass sie einen Grund haben musste.
Ich hatte genügend Zeit gehabt, mir über diesen Grund Gedanken zu machen, und hatte den Kreis auf zwei mögliche Kandidaten eingegrenzt. Entweder hatte sie a) schlicht und ergreifend den Verstand verloren oder b) ein schlechtes Gewissen wegen ihres Verhaltens. Wobei »Verhalten« in diesem Fall so ziemlich alles mit einschließen konnte, angefangen dabei, wie völlig hemmungslos sie auf der Labor-Day -Party mit Nate geflirtet und dabei ihre Brüste gegen seinen Arm gepresst hatte, über die Tatsache, dass sie ihn mir ausgespannt hatte, bis hin zu der Nummer, die sie auf Henrys Party abziehen musste. Sie hatte sich so vieler Vergehen schuldig gemacht, dass es mir schwerfiel, nur ein einziges davon herauszupicken, aufgrund dessen sie sich wohl schuldig fühlen könnte.
Wenn unsere Unterhaltung in Henrys Haus allerdings nur das Vorgeplänkel war, dann hatte ich keine Lust, an der Hauptvorstellung teilzunehmen, nein, vielen Dank. Ich wollte nicht mit Helen reden - ich wollte sie anbrüllen und nach Möglichkeit handgreiflich werden. Die Nummer mit der zarten Kindfrau würde ihr auch nichts mehr nützen, wenn ich mich Courtney-Love-mäßig auf sie stürzen würde.
Am Wochenende zuvor hatte mein Terminkalender mir unverhoffterweise eine Verschnaufpause von allen gesellschaftlichen Verpflichtungen gegönnt, so dass ich zwei volle Tage zuhause rumhängen, Aufzeichnungen von Fernsehsendungen anschauen und endlich mal ein bisschen putzen konnte. Es war nett gewesen, zur Abwechslung einmal nicht die ganze Zeit über meine gescheiterte Beziehung und das Problem mit Henry grübeln zu müssen. Und es war noch netter gewesen, mich ausnahmsweise auch nicht vor halb Boston lächerlich zu machen. Ein wirklich erholsames Wochenende.
Jetzt aber war November und die Vorweihnachtszeit bereits in vollem Gange. Bis zum Jahresende stand jedes Wochenende etwas an, einschließlich der großen Silvesterparty, die eine Freundin von uns draußen am Cape organisiert hatte.
Einerseits war es ja wirklich schön, so ein spannendes und abwechslungsreiches Freizeitprogramm zu haben. Aber andererseits würde ich auf jeder einzelnen dieser Partys mit dem posttraumatischen Stress meiner Trennung von Nate zu kämpfen haben, und mit posttraumatischem Stress meine ich nicht nur meine Gefühle, sondern auch Helen.
Wenn ich nur daran dachte, war ich schon wieder fix und fertig. Ich hatte nun wirklich keine Lust, mit der Person zu reden, die an allem schuld war.
Auf der anderen Seite des
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