Meine beste Feindin
wieder. Es war noch irgendwie halbwegs nachvollziehbar, dass ich mit Henry im Bett gewesen war, als mich der Kummer und Jack Daniel’s in die Knie gezwungen hatten. Es war ein großer Fehler gewesen, aber unter den gegebenen Umständen noch irgendwie verzeihlich. Aber letzte Nacht? Wie hatte ich Georgia das nur antun können?
Es war ganz egal, dass sie Henry nie auch nur berührt hatte, dass er sie nie mit solchen Augen gesehen hatte, dass sie kein blinkender Punkt auf seinem Liebesecholot war. Diese Tatsache machte es eher noch schlimmer. Die oberste Regel besagte, sich nicht mit Typen einzulassen, die der besten Freundin ein emotionales Trauma beschert hatten. Ohne jede Ausnahme.
Kein Wunder, dass ich mich schlecht fühlte. Und es verschlimmerte die Dinge noch, dass mit Henry irgendwie alles so schön und sanft gewesen war. Ich konnte noch immer den seltsamen Ausdruck sehen, der von Zeit zu Zeit über sein Gesicht huschte - wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gedacht, es sah wie ein zärtlicher Blick aus.
Aber das war doch unmöglich. So war Henry nicht.
Ich verscheuchte den Gedanken und rief Nate an, denn das war jetzt wichtiger. Zumindest war es im Moment das Einzige, mit dem ich umgehen konnte. Ich würde die Geschichte mit Henry einfach zu den Akten legen und vergessen. Henry und Helen waren bloß eine Phase, die Nate und ich durchlaufen mussten, aber so was würde nie wieder vorkommen. Und Georgia musste davon nichts erfahren.
Nate nahm nach dem dritten Klingeln ab.
»Hey, du«, sagte er.
»Hi.« Ich fühlte mich gleichzeitig schüchtern und aufgedreht.
»Ich glaube, ich muss mich bei dir entschuldigen«, sagte er mit übertrieben fröhlicher Stimme. »Gestern Abend hab ich wohl zu viel getrunken und dir unzusammenhängendes Zeug auf die Mailbox gelallt. Stimmt doch, oder?«
»Na ja«, sagte ich verblüfft. »Es waren sogar ganze sieben Nachrichten, und sie waren nicht wirklich unzu…«
»Ich hab Helen schon gesagt: Das passiert, wenn sie mich nicht im Auge behält«, erklärte Nate schmunzelnd. »Tut mir echt leid, Alter!«
Er war jetzt gerade mit Helen zusammen. Und er tat so, als wäre ich irgendein Kumpel!
Ich war so fassungslos, dass ich kein Wort herausbrachte.
Ich konnte hören, wie Helen im Hintergrund lachte. Bei dem nur allzu bekannten Wiehern drehte sich mir der Magen um.
»Na, dann«, sagte Nate, als würde ich noch immer Scherze über die Nachrichten machen, die er mir in einem Paralleluniversum betrunken auf die Mailbox gesprochen hatte, während mir diese furchtbare Unterhaltung in der Wirklichkeit gerade das Herz brach. »Lösch sie einfach und Schwamm drüber, okay? Cool. Bis später.«
Und er legte auf.
Ein paar Stunden lang versuchte ich, für alles eine logische Erklärung zu finden. Darin wurde ich langsam richtig gut. Ich malte mir aus, dass er (trotz des beunruhigenden Lachens im Hintergrund) gerade dabei war, mit Helen Schluss zu machen, und dass er mich anrufen und mir alles erklären würde, sobald die Sache über die Bühne war. Denn sonst ergab das alles doch keinen Sinn. Er würde mich doch nicht siebenmal hintereinander anrufen, die Dinge sagen, die er gesagt hatte, andeuten , was er angedeutet hatte, und dann am nächsten Morgen aufwachen und … einfach nichts fühlen. Das war doch unmöglich. Das lag doch nicht einmal im Bereich des Möglichen. Oder?
Im Laufe des Tages mischten sich noch andere Überlegungen darunter. Immerhin war das der Kerl, der mich betrogen hatte. Warum war ich bloß so erpicht darauf, das zu verdrängen? Warum machte ich stattdessen Helen Vorwürfe? War es deshalb, weil ich tief in meinem Inneren davon ausging, dass ein Mann mich natürlich ihretwegen verlassen würde? Und besonders ein Typ wie Nate, auf den alle flogen? Oder war das reine Selbstzerfleischung?
Als das Telefon klingelte und Nates Nummer auf dem Display erschien, brach ich vor lauter Erleichterung in Tränen aus.
Er hatte mich nicht (schon wieder) fallen lassen. Es war alles wieder in Ordnung. Mein Leben würde sich wieder einrenken.
»Hallo Gus«, sagte Henry.
»Oh.« Ich stand da wie vom Blitz getroffen. Dann riss ich mich zusammen und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu kriegen. »Hey.«
Es war nicht viel, aber zu mehr war ich nicht fähig.
»Hör zu«, sagte er und seufzte ein wenig. »Ich wollte nur anrufen, um mich für mein Benehmen von heute Morgen zu entschuldigen.«
»Wolltest du? Warum?«
»Weil ich einfach abgehauen bin, und ich bin
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