Meine beste Feindin
stimmte tatsächlich.
»Ich hatte nie den Eindruck, als würdest du dich über häufigere Anrufe freuen«, verteidigte ich mich.
»Natürlich nicht«, spottete Helen. »Ich bin ja auch kein Mensch. Ich habe ja keine Gefühle. Was soll’s. Frauen wie du treiben schließlich immer solche Spielchen.«
»Frauen wie ich?« Das war doch das Letzte. Frauen wie ich - so etwas gab es gar nicht. Es gab die Superfrau, aber auf keinen Fall Frauen wie mich .
»O doch«, sagte Helen. Ihre Augen wurden zu düsteren Schlitzen. »Im Internat war es Jessie Unger. Alle waren ganz verrückt nach Jessie, und sie hasste mich wie die Pest. Egal was ich tat, sie hasste mich trotzdem. Sie und ihre Freundinnen dachten sich fiese Spitznamen aus und setzten Gerüchte über mich in die Welt.« Sie sah mich noch finsterer an. »Glaubst du etwa, ich weiß nicht, was Georgia und Amy Lee so über mich erzählen?«
»Hast du Jessie Unger auch den Freund ausgespannt?«, fragte ich bissig.
Helen machte ein knurrendes Geräusch.
»Mit Männern ist es einfacher«, sinnierte sie plötzlich. »Die sind nicht so wie Frauen. Sie verurteilen dich nicht oder lächeln falsch und lästern dann hinter deinem Rücken. Entweder mögen sie dich, oder sie mögen dich nicht.«
»Du flirtest mit ihnen, Helen! Deshalb mögen sie dich!«
»Als ob du nicht flirten würdest.« Sie schüttelte den Kopf. »Also bitte. Du wickelst sie mit deiner Ich-bin-jaach-so-clever-und-witzig-Masche um den kleinen Finger. Also, wenn das nicht Flirten ist, was dann?«
In diesem Moment brannten bei mir sämtliche Sicherungen durch. Und Helen konnte einem richtig leidtun, denn ich hatte noch so einiges auf Lager. »Wie wäre es zum Beispiel damit, mitten im Dezember von einer Biene gestochen zu werden, so dass alle Männer ihre Freundinnen vergessen, um dich herumscharwenzeln und dich zum Auto zurücktragen?«
»Ich kann nichts dafür, dass ich allergisch bin«, fauchte Helen.
»Oder damit, allen Männern, die deinen Weg kreuzen, ganz nahe zu kommen? Man muss sich nur in ihre Reichweite lehnen, ihnen tief in die Augen sehen, dann wieder wegschauen und sich kurz über die Lippen lecken.« Ich machte es ihr vor, fügte sogar noch ein verführerisches Wedeln mit den Haaren hinzu, wie ich es vor meinen Freundinnen so oft zum Besten gegeben hatte. »Was ist das dann bitte?«
»Ich fasse es nicht. Hast du mich ständig beobachtet, oder was?«, kreischte Helen. »Aber du musst gerade reden. ›O Henry, du bist ja sooo gemein!‹« Sie äffte mich mit schriller Stimme nach. »›Alle Mädchen in Boston liegen dir zu Füßen, aber ich bin da anders. Ich mache mich interessant, indem ich ganz gleichgültig tue. Böser, böser Henry! Beachte mich doch endlich!‹«
In diesem Augenblick sah ich buchstäblich rot und ich musste ein paarmal blinzeln und tief durchatmen, bevor ich wieder einen klaren Kopf bekam.
»Na schön«, sagte ich. Ich wollte über nichts von dem, was sie gesagt hatte, auch nur ein weiteres Wort verlieren. Nicht einmal mit der Kneifzange hätte ich diese Themen anfassen wollen. »Vielleicht sitzen wir da beide im Glashaus.«
Helen schien in sich zusammenzusinken. Sie schaute weg, und ich sah, dass sie erschrak, als ihr auffiel, wie sie sich die Lippen leckte.
»Siehst du«, stichelte ich. »Diese Lippensache. Du machst das mit Absicht!«
»Hm, hey, Gus, ich flirte doch nicht mit dir .«
»Du flirtest mit jedem, Helen. Das hast du getan, seit du achtzehn bist.«
»Das ist ganz unwillkürlich«, sagte sie, aber die Zunge kam wenigstens nicht wieder zum Einsatz.
Dann herrschte plötzlich Schweigen, und die Absurdität des Ganzen überwältigte mich und drohte mich zu ersticken. Hier standen wir also, draußen auf der Treppe, Helen und ich, und stritten uns über einen Kerl, von dem ich gerade festgestellt hatte, dass er es gar nicht wert war. Wenn ich dem Ganzen nicht bald ein Ende machte, dann würde ich wohl die erste Person in der Geschichte der Menschheit sein, die wirklich und wahrhaftig implodierte. Ich spürte es in meinem Inneren, wie eine Magen-Darm-Grippe, die langsam, aber stetig um sich griff.
Und mit diesem Gefühl dämmerte mir langsam, dass es eigentlich gar nicht um Nate ging. Dass es nie um ihn gegangen war.
»Okay«, sagte ich rasch. »Das war alles sehr unschön, und ich denke, ich werde jetzt …«
»Hast du mit ihm geschlafen?«, unterbrach sie mich.
Ich musste mich verhört haben.
»Wie bitte?«
»Ich will wissen, ob du mit ihm in der
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