Meine beste Feindin
als ob sie mich hassen würde, aber in diesem Augenblick war Schadensbegrenzung mein vorrangiges Ziel. Hier ging es nicht um eine Schlittenfahrt, die einen Nachmittag dauerte und nach der wir uns davonmachen konnten. Wir waren hier in einem Hotel im Nirgendwo und wir würden alle die Nacht über bleiben. Außerdem war Silvester. Ich vermutete mal, mein verletztes Ego trat für einen Moment in den Hintergrund und gab mir Gelegenheit, Georgia davon abzuhalten, Amy Lee noch vor Mitternacht an die Gurgel zu gehen.
»Diese arrogante, selbstgerechte …«
Georgia brachte ihren Satz nicht einmal zu Ende, sie wirbelte plötzlich herum und schoss auf die Tür zu, die das Zimmer von Amy Lee und Oscar von unserem trennte. Mit geballten Fäusten begann sie dagegen zu trommeln. Und da sie nicht gerade ein zartes Pflänzchen war, machte sie gehörigen Radau.
»Könntest du bitte …« Ich rieb mir die Schläfen. »Was genau tust du da eigentlich?«
»Ich denke, ich werde diese Tür einreißen«, fauchte Georgia, »und dann werden Miss Ach-so-heilig und ich mal Klartext reden.«
»Du willst die Tür einreißen, um dann zu reden ?«, wiederholte ich sanft. »An wen erinnert mich diese Argumentation doch gleich? Ach ja, an gewalttätige, verrückte …«
»Hilf mir oder halt die Klappe, Gus!«, blaffte Georgia.
Ich entschied mich für Letzteres und wartete ab.
Es dauerte nicht lange, bis die Tür aufgestoßen wurde und Amy Lee rasend vor Zorn auf der Bildfläche erschien.
»Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?«, brüllte sie Georgia an.
»Wie kannst du es nur wagen , über mich zu richten?«, brüllte Georgia zurück. »Wenn du Beistand gebraucht hast, war ich für dich da - ich war immer für dich da! Und was kriege ich jetzt im Gegenzug für zehn Jahre Freundschaft? Du erzählst mir auf irgendeiner Party, ich kann dich mal am Arsch lecken? Hast du völlig den Verstand verloren?«
»Ich habe deine Hand gehalten, nachdem etwa vierhundert Typen dir das Herz gebrochen haben, Georgia«, schnauzte Amy Lee. »Bei jedem normalen Menschen wäre es gar nicht so weit gekommen. Denn nach der fünfzehnten völlig identischen Konstellation würde ja wohl jeder einen Schlussstrich ziehen. Du nicht. Du hörst nie auf. Du machst einfach weiter und weiter und weiter - du bist das Duracell-Häschen der sinnlosen Beziehungen!«
Ich hatte den Eindruck, Georgia würden vor lauter Zorn noch die Sinne schwinden, denn ich konnte förmlich hören, wie die Wut auf ihrer Haut knisterte. Also schob ich mich zwischen die beiden.
»Jetzt sollten wir uns alle erstmal beruhigen!«, verkündete ich - na ja, es grenzte eher an Brüllen.
»Wir müssen ja tief gesunken sein, wenn ausgerechnet Gus einschreiten und die Erwachsene spielen muss«, schnaubte Amy Lee mit einem widerlichen kleinen Lachen.
Ich atmete erst einmal tief durch. Während ich das tat - und so Amy Lee nicht eigenhändig erwürgte -, erholte sich Georgia so weit, dass sie zu meiner Verteidigung eilen konnte.
»Bist du etwa unser Vorbild für erwachsenes Benehmen, Amy Lee?«, rief sie hinter mir. »Ich denke nämlich, sich über andere lustig zu machen wird auf dem Spielplatz nicht gerne gesehen!«
»Mir war ja klar, dass ihr beide euch verbünden und eine Schlammschlacht in Gang setzen würdet - als wären wir wieder im College«, stieß Amy Lee hervor.
»Habe ich jetzt den Verstand verloren?«, fragte ich ein wenig ins Blaue hinein. »Was hat das alles mit dem College zu tun? Als ich das letzte Mal auf den Kalender geschaut habe, war unser Abschluss sieben Jahre her!«
»Einige von uns haben das College hinter sich gelassen«, stichelte Amy Lee.
»Siehst du, Gus?«, fragte Georgia beißend. »Amy Lee ist eben etwas Besseres. Jetzt arbeitet sie sogar noch härter als damals, schwer vorstellbar, weißt du. Aber sie ist ja so perfekt! Sie ist einfach besser als wir.«
»Besser? Das weiß ich nicht«, fauchte Amy Lee. »Aber mal sehen - ich erzähle keine Lügen darüber, mit wem ich Sex habe, oder werfe mich tagelang auf meinem Bett hin und her, wie eine dramatische Opernheldin.«
»Du hochnäsige …«
»Ihr zwei könnt ja noch nicht einmal auf einer Party erscheinen, ohne sie in einen Zirkus zu verwandeln!«, wütete Amy Lee weiter, ohne Georgia Beachtung zu schenken.
»Du bist so von dir selbst eingenommen, Amy Lee«, warf ich ein, denn trotz des tiefen Durchatmens hatte ich noch mehr Lust, ihr eine reinzuhauen. »Wenn wir so ein Kreuz für dich sind, warum warst du
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