Meine beste Feindin
draußen zerren. Wenn ich die Situation noch irgendwie retten wollte - und das musste ich einfach -, dann jetzt oder nie.
Wie eine Art Marathonläufer holte ich das Letzte aus Armen und Beinen heraus, und dann, gerade, als Linus um die Ecke zur Treppe bog, setzte ich zum Hechtsprung an.
Ich warf mich in die Luft. Ich streckte den Arm aus - meine Fingerspitzen streiften die Leine - aber Linus spurtete davon und …
RUMS!
Ich machte eine Bauchlandung und schlitterte noch ein gutes Stück weiter. Ich schoss direkt auf etwas zu, das wie ein Fuß aussah. Ich blinzelte. Schwarze Stiefel, auf Hochglanz poliert, mit einem Zehn-Zentimeter-Absatz. Sie kamen mir irgendwie bekannt vor. Und unter dem rechten Fuß steckte - fest und sicher - die Hundeleine. Ich ergriff sie mit beiden Händen, zu vollgepumpt mit Adrenalin, um darüber nachzudenken, was mir im Moment alles wehtat. Darum würde ich mich später kümmern.
Ich dankte dem Allmächtigen und sah dann auf, beinahe bereit, die Füße vor mir zu küssen. Immerhin hatte ich dafür schon die richtige Position eingenommen.
»Hallo, Gus.« Amy Lee sah von oben auf mich herab. »Ich dachte mir schon, dass du das bist.«
Kapitel 21
»Oh, wie schön«, rief Georgia hinter mir. Ihr Sarkasmus eilte ihr voraus wie ein stechender Geruch. Er ließ Amy Lee zurückweichen. »Sieh nur, Gus! Amy Lee ist gekommen, um über uns zu richten!«
Sie blieb neben mir stehen, was bedeutete, dass ihre spitzen Stiefel nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt waren. Also zwei Paar gefährliche Absätze in unmittelbarer Nähe. Ich beschloss, dass es wohl sicherer war, endlich aufzustehen.
»Habe ich euch bei irgendwas unterbrochen?«, fragte Amy Lee mit ihrer pampigsten Stimme. »Für mich sah es nach demselben unreifen Mist wie immer aus.«
»Frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr«, säuselte ich, zog die Hundeleine unter Amy Lees Fuß hervor und beherrschte mich so weit, dass ich nicht versuchte, sie die Treppe runterzustoßen. In der Fantasie war Gewalt sowieso immer viel spaßiger als in Wirklichkeit, sagte ich mir selbst. Echte Gewalt brachte einen nur ins Gefängnis.
Linus wirkte völlig unbeeindruckt von dem Spurt durchs Hotel. Wie üblich bekam er von der miesen Stimmung nichts mit und versuchte immer wieder, Amy Lee vor Begrüßungsfreude die Hände zu lecken.
»Forcierte Festtagsstimmung macht die Sache bestimmt besser«, sagte Georgia spöttisch. »Nur weiter so.«
Und dann standen wir drei einfach nur so da und sahen einander nicht in die Augen. Einen Moment lang wurde ich ein wenig hysterisch und hatte den Eindruck, dass unsere Vergangenheit da zwischen uns in der Luft hing, aber es war wohl nur der Tannengeruch von den Bäumen in der Eingangshalle.
»Ich denke, es geht so um vier los«, sagte Amy Lee auf einmal und sah dabei niemand Bestimmten an. »Lorraine besteht auf Abendgarderobe. Also, ich muss mich umziehen.«
»Wir auch«, sagte ich überflüssigerweise, denn Georgia und ich trugen Jeans und Pulli.
»Wir haben die Einladung auch gekriegt«, sagte Georgia bissig. Ich sah sie an und versuchte ihr mit Blicken Halt den Mund zu vermitteln. Sie schürzte nur ein wenig die Lippen, aber wenigstens sagte sie auch nichts mehr.
Amy Lee stieß einen Seufzer aus tiefster Seele aus und drehte sich um.
So stiegen wir also peinlich berührt die Treppe zu unseren nebeneinanderliegenden Räumen hoch. Wir stapften in trotzigem Schweigen hinauf, bis auf Linus, der glücklich hechelte. Jetzt schien ihm die Leine plötzlich nichts mehr auszumachen, stellte ich fest.
Oben angekommen, schloss Georgia die Tür zu unserem Zimmer auf und Amy Lee die zu ihrem. Ich starrte auf den Teppich. Noch immer sprach niemand ein Wort. Georgia öffnete die Tür mit einem Ruck und stürmte ins Zimmer. Ich folgte ihr und wollte gerade Linus losmachen. Da hörten wir die Tür zu Amy Lees Zimmer zuknallen, und dann herrschte erneut Schweigen.
»Mann«, sagte ich in die bedrückende Stille hinein, bevor Georgia sich wieder in einen ihrer Wutanfälle hineinsteigerte. »Das war vielleicht ätzend.«
»Die spinnt doch total!«, legte Georgia los.
»Sie ist offensichtlich noch immer wütend auf uns, weshalb auch immer«, sagte ich und versuchte besänftigend zu klingen. »Also lass sie doch wütend sein. Sie wird schon wieder mit uns reden, wenn sie so weit ist.«
Es war ja nicht so, dass ich selbst nicht auch sauer war und verletzt, denn immerhin benahm sich eine meiner besten Freundinnen so,
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