Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich
wie ich.“
Ich springe auf. „Wie es scheint, weiß ich überhaupt nichts! Sonst hätte ich mich dir wohl kaum an den Hals geworfen!“
„Chastity …“ Er steht ebenfalls auf und hebt beruhigend die Hände, doch ich würde ihm am liebsten eine Ohrfeige verpassen. „Chas, du …“ Er lässt die Hände sinken und schüttelt den Kopf.
„Nein, Trevor, sag es ruhig.“ Ich strecke ihm meinen zitternden Zeigefinger entgegen. „Wenn wir zusammen wären,und es würde nicht funktionieren, dann hättest du deine kostbare Ersatzfamilie nicht mehr. Du hast Angst, sie zu verlieren. Gib es wenigstens zu, Trevor. Meine Familie bedeutet dir mehr als ich.“
Trevors Gesichtsausdruck verändert sich. Er kommt einen Schritt näher. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich ihn wütend. Zornig sogar. „Falsch“, sagt er in einem drohenden Ton, wie ich ihn noch nie bei ihm gehört habe. „Da liegst du absolut falsch, Chastity. Wenn wir zusammen wären, und es würde nicht funktionieren, dann hätte ich dich nicht mehr. Du bist diejenige, die ich nicht verlieren will.“
Ich mache ein paarmal den Mund auf und zu. „Wie bitte?“
„Du bist diejenige, die gesagt hat, wir hätten viel zu verlieren, erinnerst du dich?“
„Aber die Dinge liegen jetzt anders, Trevor. Du kannst nicht …“
Seine Stimme klingt scharf. „Du hattest recht, genau so ist es. Und auf diese Weise werden wir einander nie enttäuschen. Wir werden uns nie trennen. Uns nie scheiden lassen.“ Er tritt einen Schritt zurück, und seine Wut scheint verflogen. „Du kannst jemand Besseres haben als mich, Chas.“
„Es gibt keinen Besseren als dich.“ Ich meine das von ganzem Herzen, doch er schüttelt den Kopf.
„Du weißt doch, wie es sein würde. Feuerwehrleute verdienen zu wenig. Ich würde zwei Jobs annehmen müssen, jede Menge Überstunden machen, und nach einer Weile würdest du mich hassen. Wie deine Mutter deinen Vater.“
Tränen steigen mir in die Augen. Schon wieder. Er hat nicht unrecht.
„Wenn wir nicht zusammen sind, werden wir auf keinen Fall so enden“, sagt er jetzt ruhig. „Ich habe Michelle verloren, ich habe meine Eltern verloren. Ich will dich nicht auch noch verlieren, Chastity. Das kann ich nicht.“
„Trevor. Ich könnte dich nie hassen. Ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt.“
Und in diesem Moment klingelt das blöde Telefon. Nicht das Handy unter der Couch, sondern der Hausanschluss. Wir starren einander an, während es einmal klingelt, zweimal, dreimal. Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen. Dann schaltet sich der Anrufbeantworter ein.
„Hallo, Schatz, ich bin’s. Ich wollte nur nachfragen, ob unsere Verabredung für morgen noch gilt. Ruf mich an. Ich liebe dich.“
Trevor schließt die Augen und lässt die Schultern hängen. Ich habe meine Antwort.
„Weißt du was, Trev?“ Meine Stimme ist nur noch ein Flüstern. „Ich werde jetzt gehen.“
„Es ist nicht so, wie du denkst“, sagt er.
Du meine Güte! Etwas Dümmeres fällt ihm jetzt nicht ein? Auf einmal packt mich die Wut. „Ach, wirklich, Trev? Ich denke, dass Super-Hayden dich zurückhaben will. Und dass dieses ganze ‚Ich will dich nicht verlieren‘-Gerede absoluter Blödsinn ist. Und für den Fall, dass es doch stimmt … rate mal! Du hast mich verloren. Gerade eben.“
„Sag das nicht, Chastity.“
„Ach, leck mich, Trevor“, schnaube ich. „Ich bin nicht deine Schwester, ich bin nicht dein bester Kumpel, ich bin nicht deine Freundin. Du hast recht. Jemand da draußen liebt mich, begehrt mich, findet mich toll. Also mach verdammt noch mal Platz und lass mich zu ihm.“
Ich gehe den Feeder Canal entlang. Falsch. Ich stampfe den Feeder Canal entlang. Ich bin stinkwütend. Ich wünschte, ich hätte einen Boxsack, an dem ich mich abreagieren könnte. Mein Gott! Habe ich in den letzten zwölf Jahren denn nichts gelernt? Habe ich vergessen, wie erleichtert Trevor war, als wir uns damals getrennt haben? Wie hat Elaina so schön gesagt?„Narre mich einmal – Schand’ über dich. Narre mich zweimal – Schand’ über mich.“
Ich setze mich ans Flussufer, und der Tau durchweicht meine Shorts. Meine Hände zittern, meine Wangen sind tränennass. Die Blätter rauschen sanft in der Brise, und in der Ferne ertönt eine Polizeisirene. Ich schniefe, ziehe ein zerfetztes Taschentuch aus der Hosentasche und schnäuze mich.
Wenigstens weiß ich jetzt, woran ich bin. Ich habe alles gewagt und alles gesagt, all meine Liebe und Sehnsucht
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