Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich

funkt die Leitstelle an, Paul nimmt eine Legoschachtel aus dem Regal. „Ich glaube, mein Sohn hat so eins“, murmelt er und dreht sie herum. „Richtig. Ein Kampfflugzeug von Star Wars. Wisst ihr noch, Jungs?“ Er hebt die Schachtel hoch, damit alle das Bild sehen.
    „Oh, ich liebe diesen Film“, meint Jake verträumt. „‚Möge die Macht mit dir sein …‘ Das ist ja so cool.“
    Dad fragt Kim nach ihren Wunschnamen, Paul blättert in Die wundersame Reise von Edward Tulane , ich atme Sauerstoff. Drei Minuten später trifft der Ehemann ein und führt seine Frau behutsam zum Wagen. „Vielen Dank!“, ruft sie winkend. „Und drücken Sie bitte den Verriegelungsknopf, bevor Sie die Tür zuziehen.“ Ich winke kleinlaut zurück.
    Trevor kniet sich neben mich und fühlt meinen Puls. „Na, wie geht es meiner kleinen Hebamme?“, fragt er grinsend.
    Wenn ich mir nicht so unendlich dumm vorkäme, würde ich vielleicht auch lachen. Ich atme noch einmal tief ein.
    „Chastity?“, fragt Trevor nach, „alles okay?“
    Ich seufze, die Atemmaske beschlägt, und ich ziehe sie vom Gesicht. „Ja.“
    „Dein Puls ist wieder normal. Fühlst du dich noch benommen?“
    „Es geht mir gut, Trevor. Du kennst das doch. Eine irrationale Angst vor einer harmlosen Sache oder Situation, die zu körperlichen Beschwerden wie Hyperventilation, Ohnmacht, Herzrasen führt, et cetera bla bla …“
    „Ich frage doch nur. Hast du ein Taubheitsgefühl in Armen oder Beinen? Schmerzen im Brustkorb?“
    „Nein!“ Ich klinge wie eine schmollende Vierjährige.
    „Na, wie geht’s meiner Kleinen?“, fragt nun auch nochmein Vater und hockt sich vor mich hin. „Soll ich dich nach Hause fahren?“
    „Nein, Dad. Ich … ich gehe gleich wieder zur Arbeit.“
    Mein Vater erhebt sich wieder. „Okay, Jungs. Wir düsen ab.“ Paul nimmt die Sauerstoffflasche, und ich stehe mit immer noch wackligen Beinen auf. Trevor streckt mir seine Hand entgegen, doch ich ignoriere sie.
    „Bis später, Küken“, sagt Dad und klopft mir auf die Schulter.
    „Bye, Chastity“, verabschiedet sich Trevor und lächelt, dass mir ganz warm ums Herz wird. Ich versuche, auch das zu ignorieren.
    „Danke, Jungs. Tut mir leid, dass ich eure Zeit verschwendet habe.“
    „Ach, das war besser als die Tyra Banks Show “, meint Paul.
    „Ehrlich? Findest du?“, fragt Jake. Die Männer lachen und verlassen das Geschäft. Wenige Minuten später fahren sie ohne Blaulicht und Sirene die Straße hinunter. Ich kämpfe gegen die Mischung aus Scham, Demütigung, Versagen und Dummheit an. Seufzend drücke ich den Verriegelungsknopf und ziehe die Tür hinter mir zu.

4. KAPITEL
    E laina kam mit ihrer Familie nach Eaton Falls, als ich in der sechsten Klasse war, und aufgrund ihres leichten Akzents und dem geschminkt schon so erwachsen wirkenden Gesicht fand ich sie vom ersten Moment an so toll, dass ich sie unbedingt als Freundin haben wollte. „Hallo“, sagte ich gleich in der ersten Pause zu ihr, als sie am Rand des Schulhofs auf der Bank saß.
    „Was willst du, Kleinstadtgöre?“, fragt sie zurück und warf verächtlich ihr schwarzes Haar nach hinten.
    „Ich kann hundert Klimmzüge machen“, bot ich an.
    „Dann mach“, erwiderte sie und schnipste mit den Fingern. Ich machte, sie war beeindruckt, und ein neues Leben begann. Seit diesem Moment, durch Highschool, College, Universität und darüber hinaus, sind wir die besten Freundinnen und immer füreinander da, und sie ist der einzige Mensch, der über Trevor Bescheid weiß.
    In der Highschool fragte sie Mark, ob er mit ihr zum Abschlussball gehen wolle, und der Rest ist Geschichte. Vor vier Jahren haben sie geheiratet, zwei Jahre später kam Dylan. Elaina war müde und gestresst, Mark war müde und genervt, und was hat mein dummer Bruder gemacht? Er hatte einen One-Night-Stand. Er bedauert seinen Fehltritt zutiefst, was er allerdings auf die ihm eigene verdrehte Weise zeigt: aggressives Verhalten gegenüber allen, die er liebt. Natürlich will Elaina ihm nicht verzeihen, solange er sich nicht entschuldigt, und so verharren sie im quälenden Unentschieden –sie sind getrennt, die Scheidung droht, sie lieben sich, hassen sich, streiten unentwegt und trauern beide dem hinterher, was sie verloren haben.
    „Dein blöder Scheißbruder“, fängt sie eines Abends wieder an, als wir vor meinem Computer sitzen. Ich fülle gerade einen Online-Fragebogen aus, und Elaina hilft mir dabei.Buttercup schnarcht zu unseren