Meine Brüder, die Liebe und ich - Higgins, K: Meine Brüder, die Liebe und ich
kommen sie nicht?“
„Das ist nicht mein Mann, oder?“, ruft Kim. „Haben Sie etwa den Notruf gewählt? Warum denn das, um alles in der Welt?“
„Weil Sie ein Baby bekommen und ich kein Geburtshelfer bin!“, schreie ich.
„Die Feuerwehr ist unterwegs“, sagt die Dame in der Zentrale. „Möchten Sie am Telefon bleiben, bis sie da ist?“
„Ja! Ja! Legen Sie bitte nicht auf! Lassen Sie mich nicht allein!“
Mein Brustkorb schmerzt, während ich versuche, genug Luft zu bekommen. Kim sieht mich über ihren dicken Bauch hinweg verständnislos an. „Nicht pressen“, sage ich. „Sie sind gleich da. Nicht pressen. Soll ich ein paar Handtücher holen? Möchten Sie vielleicht doch den Kaffee trinken? Ich habe auch eine Quarkschnecke dabei, die können Sie natürlich gerne haben. Sicher doch. Wollen Sie die Schnecke? Aberpressen Sie bitte nicht! Ich bin bei solchen Sachen gar nicht gut.“
„Ach ja?“, erwidert sie. Höre ich da etwa Sarkasmus heraus? Wie kann man unter Wehen noch sarkastisch sein? „Dürfte ich bitte mein Handy haben?“
Ich halte das Ding immer noch so fest gegen mein Ohr gepresst, dass es fast weh tut. „Ma’am?“, sagt die Notrufdame. „Wie sieht es bei Ihnen aus?“
Ich höre Sirenen auf der Straße. „Endlich!“, rufe ich. „Oh Gott, Beeilung! Keine Sorge, Kim, sie kommen. Ich höre sie kommen.“
Kim steht auf, was ich angesichts ihrer Situation überhaupt nicht fassen kann, und zieht mir das Mobiltelefon aus der Hand. Meine Knie geben schließlich nach, und ich sinke keuchend und mit lautem Plumpsen zu Boden. Winnie Puh starrt mich ungerührt an, und I-Ah runzelt missbilligend die Stirn.
„Hallo“, spricht Kim in ihr winzig kleines Mobiltelefon. „Hier spricht die schwangere Frau. Es geht mir gut … Nein, Sie müssen keinen Rettungswagen schicken. Mir ist nur die Fruchtblase geplatzt, aber ich … oh, na gut. Sicher, in Ordnung. Danke sehr.“ Sie legt auf. „Ich wollte doch nur, dass Sie meinen Mann anrufen“, sagt sie leicht verärgert.
Von meiner Position am Boden aus kann ich das Blut an ihrem Knöchel leider allzu gut sehen. Bitte, lass mit dem Baby alles in Ordnung sein, bete ich benommen. Bitte, lieber Gott! In meinen Ohren dröhnt es, ich habe schwarze Punkte vor den Augen und fühle mich halb erstickt. Während ich krampfhaft Luft einsauge, verschwimmt mir die Sicht. Ich nehme den Kopf zwischen die Knie und versuche, ruhig zu atmen.
Dann höre ich die Ladenglocke und sehe vier Männer im Gänsemarsch durch die Tür traben, die Hände voller Ausrüstung: Dad, Trevor, Paul und Jake in Schutzanzügen mitblitzenden Reflektorstreifen. Gott sei Dank! Als die Männer Kim sehen, wie sie die Hände in die Hüften gestemmt über mir steht, machen sie abrupt Halt. „Hallo“, sagt sie. „Mir ist nur die Fruchtblase geplatzt. Ich wollte eigentlich nicht, dass gleich die Feuerwehr anrückt.“
Mein Vater blickt auf mich hinunter. „Hol mal die Sauerstoffflasche, Paul“, kommandiert er.
„Ich brauche keinen Sauerstoff“, erklärt Kim entschieden.
„Der ist auch nicht für Sie.“ Trevor lächelt. „Wie weit sind Sie?“
„Der errechnete Termin ist morgen“, sagt Kim. „Das ist mein erstes Kind, und man hat mir gesagt, es werde eine Weile dauern. Eigentlich geht es mir ganz gut.“
Alle starren mich an. Paul kommt zurück und kniet sich neben mich. „Ganz ruhig, Kleine“, sagt er. Ich zwinge mich zu gehorchen und schaffe ein paar halbwegs normale Atemzüge, bevor er mir die Maske aufsetzt. Dankbar sauge ich den Sauerstoff in meine Lungen.
„Ups, da kommt eine Wehe“, sagt Kim und atmet tief ein und aus.
„Möchten Sie sich setzen?“, bietet Trevor an.
„Nein, nein, ich kann stehen bleiben … da, schon vorbei.“
„Sie sind ja schon ein Profi“, meint mein Vater. „Meine Frau hat fünf Kinder, alles normale Geburten. Sie werden das gut hinbekommen.“
Danke, Dad! Und Kim! Kann sie mir zuliebe nicht ein bisschen mehr stöhnen? Da bleibt sie bei ihren Wehen sogar noch stehen! Angeberin! Nun, da ich nicht mehr hyperventiliere, merke ich, wie ich vor Scham glühend rot werde. Verdammt. Schon wieder!
„Alles in Ordnung, Küken?“, erkundigt sich mein Vater.
Ich antworte nicht.
„Wir bringen Sie gern ins Krankenhaus“, bietet Trevor Kim an.
„Mein Mann arbeitet in der Schule“, entgegnet sie. „Ich rufe ihn eben an, dann kann er mich abholen. Aber vielen Dank.“ Sie wählt eine Nummer und spricht leise in ihr Handy.
Mein Vater
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